Heute lebt sie ihren Traum

Frauen stärken (c) Bistum Aachen / Stefan Schaum
Frauen stärken
Datum:
Do. 22. Okt. 2015
Von:
Anja Klingbeil
Frauen stärken in und für Erwerbsarbeit ist ein Projekt für erwerbslose Frauen, die durch eine individuelle Begleitung Unterstützung erfahren. Frauen in jeder Lebenslage und ganz unterschiedlichen Alters sind hier willkommen.
Frauen stärken (c) Bistum Aachen / Stefan Schaum
Frauen stärken

Bettina Steinwartz, die vor fünf Jahren zum ersten Mal zum Frauencafé kam, war ziemlich weit unten. „Ganz tief drin im Loch“, sagt die Alsdorferin. Eine Alleinerziehende, drei Kinder, kein Job. Vollkommen antriebslos, und das Tag für Tag. Bettina Steinwartz war krank, benötigte sogar Medikamente und war einfach perspektivlos. Und heute? Heute lebt sie ihren Traum. Eine Tagesmutter ist sie geworden, seit ein paar Monaten kommt sie endlich wieder ohne Hartz-IV-Leistungen gut über die Runden. „Ohne das Projekt und Eva hätte ich das nicht geschafft.“

Das Projekt hat einen etwas längeren Namen: „Frauen stärken in und für Erwerbsarbeit“. Und Eva Druschke ist seit 2009 dessen Leiterin. Sie ist da für Frauen, denen es nicht so gut geht – und in vielen Fällen ist „nicht so gut“ noch vorsichtig ausgedrückt. „Hier sollen Frauen, die am Rande der Gesellschaft stehen, neue Chancen bekommen“, sagt die 33-jährige Sozialpädagogin. Motivieren und das Selbstbewusstsein stärken – damit beginnt ihre Arbeit in der Regel. Das geschieht in Einzelgesprächen oder in dem wöchentlichen Frauencafé, das auch Bettina Steinwartz auf den Rat einer Freundin hin besucht hat. „Das Projekt hilft einem schon allein dadurch, dass man Frauen mit ähnlichen Schicksalen begegnet, mit denen man einfach reden kann“, sagt Steinwartz. Das bringt einen weiter, wenn man mutlos ist. Da sind immer andere, die sagen: Du packst das, du schaffst das!“ Es schaffen – das geht, wie sie am eigenen Leib erfahren hat. Aber es geht nicht von jetzt auf gleich, sondern Schritt für Schritt.
Für die Alsdorferin war bei „Frauen stärken“ das Nähprojekt ein erster Schritt. Nähen kann sie nämlich gut. Neben Jahren an der Kasse eines Fast-Food-Restaurants und der Arbeit in einer Süßwarenfabrik gehört auch eine Umschulung zur Bekleidungsfertigerin zu ihrem Lebenslauf. So hat sie bei den Treffen schließlich „Wendebeutel“ genäht, die ein tragbares und praktisches Symbol für das ganze Projekt sind. Außen auf den Stoffbeuteln steht das, was werden soll. Im Innenfutter steht das, was Vergangenheit sein soll. So gibt es eine Tasche, auf der außen „Selbstbestimmung“ zu lesen ist. Und innen, wenn man es denn überhaupt lesen will, steht „Fremdbestimmung“. Solche Taschen zu produzieren, die auch zum Kauf angeboten werden, kann ein wichtiges Erfolgserlebnis sein. „Die Frauen sehen, dass sie etwas Eigenes zustande bekommen“, beschreibt Eva Druschke den Prozess.

Raus aus der Isolation

Viele schaffen es im Projekt, den Weg in eine Arbeit zu finden. Ihn wieder zu finden oder ihn vielleicht zum ersten Mal zu finden. „Etwa 80 Prozent können wir dorthin bringen“, sagt Eva Druschke, die den Frauen auf Wunsch auch bei der Stellensuche und beim Schreiben von Bewerbungen zur Seite steht. Doch nicht immer muss der Job das Ziel sein. „Für eine alleinerziehenden Mutter von fünf Kindern, die kaum Deutsch spricht, ist es schon enorm hilfreich, wenn wir ihr helfen, die Kinder zu betreuen, damit sie einen Sprachkurs besuchen kann“, sagt die Leiterin. Individuelle Lösungen für die Probleme der Frauen zu finden – darum geht es ihr. Bei manchen dauert es ein paar Wochen, andere bleiben Jahre. Alle entwickeln sich dabei und schaffen es heraus aus der Isolation, in der sie zu Beginn meist gelebt haben.
Im Fall von Bettina Steinwartz war das Nähen von Taschen zwar nicht die Lösung, aber es war ein guter Weg zurück zu einem Wunsch, den die Alsdorferin schon vor langer Zeit abgehakt hatte. „Ich wollte immer Erzieherin werden.“ Und als ihr Selbstbewusstsein wieder stark genug war, hat sie es gewagt und eine Qualifizierung zur Tagesmutter gemacht. „Es war ein harter Kampf, dass Jobcenter davon zu überzeugen, den Kurs zu fördern“, erinnert sich Eva Druschke, aber gemeinsam haben sie auch den gewonnen. In ein paar Wochen wird Bettina Steinwartz umziehen. Ein Häuschen hat sie anmieten können, dort will sie den betreuten Kindern ein besonders schönes Umfeld bieten.

Teilen, tauschen, sich unterstützen

Auch das Projekt steht vor einem Umzug. Demnächst wird es in der Alsdorfer Luisenpassage zu finden sein, mitten im Zentrum. Mit mehr Platz auch für neue Angebote. Einen Tauschring zum Beispiel, bei dem Menschen Dinge aus ihrem Haushalt mitbringen können – von Büchern über Pflanzen bis hin zu Kleidern. „Andere dürfen sich dann bedienen, im Austausch gegen andere Sachen. Teilen, tauschen, einander begegnen, sich unterstützen – das ist die Stärke bei „Frauen stärken“.