In seiner Predigt zum 250(+1) jährigen Jubiläum des Kirchenchors St. Cäcilia in Mönchengladbach-Odenkirchen schaut Bischof Dr. Helmut Dieser auf die Krisen sowohl in der Kirche als auch in der ganzen Welt wie die Klima-Krise und die Corona-Pandemie, in der unterschiedliche Ansichten aufeinanderprallen. Er fragt: „Was also tragen wir jeweils persönlich dazu bei, dass eine Gemeinsamkeit entsteht, die uns stark macht und die Wende zum Besseren erreicht?“ Seiner Meinung nach entscheiden wir genau darüber immer aus dem eigenen Lebensgefühl und dem eigenen Weltbild heraus. Als Christen könnten wir dabei tief aus dem Glauben schöpfen, den Glauben anwenden und im Glauben Orientierung finden. „Unser Glaube, Schwestern und Brüder hat das Zeug, dass wir die jeweilige Zeitstunde wirklich ernst nehmen. Dass wir handeln, ohne Panik und ohne Selbstüberschätzung. Dass wir aber auch geborgen sind und anderen Geborgenheit schenken können, was immer sein mag.“
Predigt von Bischof Dr. Helmut Dieser in MG-Odenkirchen, St. Laurentius,
am 14. November 2021, 33. Sonntag im Jahreskreis B,
zum 250(+1)jährigen Jubiläum Kirchenchor St. Cäcilia,
130 Jahre Neubau der Pfarrkirche;
L1: Dan 12, 1-3; L2: Hebr 10, 11-14.18; Ev: Mk 13, 24 - 32.
Es gilt das gesprochene Wort
Lieber Herr Pfarrer Röring,
liebe Frau Kantorin und Chorleiterin Borkenfeld-Müllers,
liebe Schwestern und Brüder,
vor Kurzem kam der neueste James-Bond-Film in die Kinos. Die Fans dieser scheinbar unsterblichen Filmserie wissen: Immer geht es darum, dass ein Bösewicht mit seinen Leuten die ganze Welt bedroht, dazu setzt er die allerneuesten technischen Möglichkeiten ein und steht kurz davor, sich die Weltherrschaft zu sichern. Unzählig viele Unschuldige würden bei der Umsetzung seines Planes sterben.
Und immer ist eine einzige Figur, eben der Agent 007, der mit letzter Kraft und Entschlossenheit die Welt rettet. Es kann weiter gehen. Die Welt hat wieder eine offene Zukunft.
Mit welchen Gefühlen feiern Sie und wir heute gemeinsam Ihr großes Jubiläum: 250+1 Jahre Kirchenchor hier in Odenkirchen an der Kirche St. Laurentius und 130 Jahre Neubau dieser Pfarrkirche und im nächsten Jahr 25 Jahre diese prachtvolle neue Rensch-Orgel?
Jeder weiß: Wir mussten den Termin zum Feiern mehrfach verschieben. Die Corona-Pandemie hat alle Planungen über den Haufen geworfen.
Weil es heute so viele Krisen gibt in der Kirche und in der ganzen Welt, die alle das Zeug haben, alles in Frage zu stellen, was wir kennen?!
In den James-Bond-Filmen wissen immer nur die Wenigsten, was wirklich los ist und wie sehr ihre Existenz bedroht ist. Nur 007 überschaut die ganze Gefahr, die allen droht, und setzt sich ihr voll und ganz aus.
In unserer realen Welt geht genau darum derzeit der größte und tiefste Streit: Ist die Klima-Krise wirklich so gefährlich, wie die Fachleute sie beschreiben? Droht wirklich dem größten Teil der Menschheit und den nach uns Kommenden reale Gefahr? Sind wir dabei, durch die Erderwärmung die Zukunft zu verbrennen?
Und die Corona-Pandemie: Warum gibt es die sogenannten Querdenker, die das alles für eine raffinierte Strategie einiger Weniger halten und die deshalb von Diktatur reden und strikt ablehnen, sich impfen zu lassen?
Es ist kaum zu ertragen, wenn alles bedroht ist.
Das macht die James-Bond-Filme so spannend: 007 durchlebt all das, wovor wir uns je neu fürchten. Zugleich wissen wir: Der schafft das! Die Gefahr ist real, aber nicht unüberwindbar. Einer rettet alle.
Die Krisen von heute im realen Leben erlauben uns aber nicht, uns im Kino- oder Fernsehsessel zurückzulehnen und uns sicher zu fühlen. Sie verlangen danach, dass wir uns einweihen lassen, dass wir also selber wie im Film das ganze Ausmaß erahnen und handeln müssen.Es tut weh zu sagen, dass die Verweigerer und die Impfgegner sich das auf Kosten der Anderen herausnehmen, doch eben das nicht einsehen und akzeptieren wollen oder können.
Sie sagen: Ich lasse mich doch nicht täuschen, nicht benutzen und vor fremde Karren spannen! Ich habe den Durchblick, die anderen aber, zustimmende Mehrheit, die wird manipuliert und will mich in eine falsche Bedrohung hineinzwingen. Da gibt es wirklich die Bösen, die ihren Plan zur Weltbeherrschung so durchsetzen wollen.
Wohin wird das führen?
Sicher ist es nicht falsch zu sagen, dass es unterschiedliche Grade der Verantwortung gibt: die Wissenschaftler, die politisch Handelnden, die Verantwortungsträger in der Wirtschaft und wir Einzelne sind nie in der Rolle von 007, der alles alleine schafft. Was also tragen wir jeweils persönlich dazu bei, dass eine Gemeinsamkeit entsteht, die uns stark macht und die Wende zum Besseren erreicht?
Ich meine, Schwestern und Brüder, genau darüber entscheiden wir immer aus dem eigenen Lebensgefühl und dem eigenen Weltbild heraus. Als Christen können wir dabei tief aus dem Glauben schöpfen, den Glauben anwenden und im Glauben Orientierung finden.
Jede Krise hat das Zeug uns zu verwirren und zwischen Hoffnung. Mutlosigkeit, Verweigerung und Aufbruch hin und her zu schleudern.
Ich meine, beides ist kein Film, sondern Wirklichkeit: reale Bedrohung und reale Zuversicht. Beides zu akzeptieren macht uns stark und handlungsfähig.
Die Texte aus der Heiligen Schrift zeigen uns heute beides: Jesus spricht von der großen Drangsal, die kommen wird. Er beschreibt kosmische Zeichen, die sie ankündigen. Sie stehen dafür, dass das Ende dieser Welt einmal real kommen wird. Der Prophet Daniel spricht von einer Zeit der Not, wie noch keine da war“, die zum Finale dieser Welt gehören wird, die in die Seele der lebenden Menschen hineinschwappt zu jeder Zeit. Schauen wir die 250 Jahre zurück, so hat jede Generation davor und danach davon etwas zu spüren bekommen. Und wir Heutigen lernen nach vielen sorglosen Jahren, dass auch wir nicht verschont werden, dass auch diese Generation teilbekommt an der Drangsal, auf die unsere Welt zugeht.
Diese Aufklärung aus dem Glauben hilft uns anzuerkennen, dass die Krisen real sind. Wir müssen nicht zuerst an Verschwörer denken, die uns täuschen wollen. Wir müssen nicht zuerst Schuldige suchen, die mal besser vor ihrer eigenen Tür kehren sollten.
Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft. Und wir wissen, dass heute die ganze Menschheit bedroht ist, in die Irre zu gehen, den Planeten auszubeuten, himmelschreiende ungerechte Verhältnisse gleichgültig hinzunehmen und zu verdrängen. Und wenn echte Gefahr den Einen auf den Leib rückt, fangen sie an dreinzuschlagen, brutale Gewalt anzuwenden, Andere bitter dafür bezahlen zu lassen mit ihrem Lebensglück und mit Blutvergießen: Die bezahlen dann für das, was alle bedroht und woran immer auch alle mitschuldig sind.
Das ist das Erste, das uns der Glaube näher ins Herz bringt, diese Schicksalsgemeinschaft, die wir aber nicht wahr haben wollen
Das Zweite ist dies: Der Apostel schreibt im Hebräerbrief: „Jesus Christus aber hat nur ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht und sich dann für immer zur Rechten Gottes gesetzt; seitdem wartet er, bis seine Feinde ihm als Schemel unter die Füße gelegt werden“.
Ja, wirklich: Einer hat die Welt schon gerettet.
Aber nicht mit Raffinesse, besserer Technik oder dem berühmten Quäntchen Glück, sondern ganz durch sich selbst: Er hat den bitteren Preis bezahlt, den wir einander antun, um uns selbst zu retten. Er hat das getan nicht nur mit einer beschränkten menschlichen Kraft, sondern mit der Kraft Gottes, von dem er gekommen ist. In ihm hat nicht die Macht und die Überwältigung gesiegt, sondern die Liebe, nicht die Manipulation und die Lüge, sondern das immer neue wahrhaftige Angebot: Wer meinen Weg mitgeht, wird gerettet.
Am Ende der Welt wird es sogar so sein, dass die Engel jeden Einzelenen von ihnen sofort erkennen werden aus allen Zeiten und Völkern: Wer hat gewagt, wirklich aus Liebe zu handeln, zu vertrauen, sich einzusetzen für die Anderen, nicht zuerst nach sich selbst und seinem Vorteil zu streben, sondern für die Anderen sich zu riskieren?
Wer sich wie Jesus und um seinetwillen auf den letzten Platz setzen kann, wird am Ende der Welt ganz sicher glänzen und alle Blicke, ja sogar Gottes Blick auf sich ziehen voll himmlischer Freude für immer und ewig, wie der Prophet Daniel sagt.
Unser Glaube, Schwestern und Brüder hat das Zeug, dass wir die jeweilige Zeitstunde wirklich ernst nehmen. Dass wir handeln, ohne Panik und ohne Selbstüberschätzung. Dass wir aber auch geborgen sind und anderen Geborgenheit schenken können, was immer sein mag.
Dieser Glaube ist die Wurzel, die unsere Vorfahren getragen hat, so dass wir heute 250+1 Jahre und 130 Jahre und bald 25 Jahre Jubiläum feiern können.
Wer glaubt, wird zu weiteren Jubiläen gelangen. Immer im Wissen darum: Auch unsere Zeit ist Gottes Zeit. 2021 Jahre seit Christi Geburt. Damit hat sich bereits alles zum Guten hin gewendet. Jesu Weg ist gangbar, er hat ihn bis zum Ziel vorangetrieben. Die Welt wird durch ihn an ihr Ziel kommen. Dann werden wir ihn kommen sehen als Menschensohn mit großer Kraft und Herrlichkeit.
Was hindert uns, daran zu glauben?!
Das allein wäre unsere größte reale Gefahr. Amen.