Aachen 2. März. Der Bischof von Aachen, Dr. Helmut Dieser, hat vor der Versuchung gewarnt, dass wir Menschen einseitig, parteiisch, ja totalitär werden – ganz nach dem Motto „mir und meinen Leuten, meiner Partei, meinem Land zuerst und allein und alles“. Stattdessen ruft er in seinem heute veröffentlichten Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit 2025 alle Gläubigen dazu auf, zu Pilgern der Hoffnung zu werden. „Pilger der Hoffnung zu sein, das heißt begreifen, dass unser Leben immer ein Geschenk ist und Gnade und Erbarmen braucht“, betont Dieser. „An Gott glauben, Jesus als Herrn bekennen, das treibt uns an, mehr für andere da zu sein, zu lieben, nicht um zu besitzen, sondern um mitzulieben, ja zurückzulieben, weil ich schon geliebt bin.“
In seinem Schreiben erinnert der Bischof daran, dass die Kirche auf der ganzen Welt das Jahr 2025 als Heiliges Jahr feiert und Papst Franziskus alle angeregt habe, sich als „Pilger der Hoffnung“ zu verstehen. Hoffnung sei nichts, was über den Dingen schwebe, sondern sie dringe in die Verhältnisse und Anliegen der Menschen ein, erläutert der Bischof. Wer sie suche, finde sie konkret für heute, nicht als bloße Reserve für später. „Deshalb ist es wichtig, dass wir Pilger der Hoffnung werden in den Problemen und Nöten von heute.“ Dabei hätten die Menschen heute einen ähnlichen Blick in die Welt: die Kriege und Feindseligkeiten, die Verhärtungen der Weltteile und der verschiedenen Gruppen der Gesellschaft gegeneinander und die Themen, die im zurückliegenden Bundestagswahlkampf diskutiert worden seien. Darüber hinaus aber hätten alle auch ganz persönliche Anfechtungen, Probleme und Nöte. „Pilger der Hoffnung werden bedeutet: Ich glaube an Gott, der all dem zugewandt ist“, führt Dieser aus. „Ich hoffe auf Gott, dass er heute darin wirkt, ich trage ihm ohne Unterlass alle meine Bitten vor – wie ein Kind, ich vertraue darauf, dass er das Böse zurückdrängt und Gutes herbeiführt.“ So wachse die Hoffnung, indem man selbst Schritte in diese Richtung mache. Pilger der Hoffnung seien wir ganz persönlich, dabei jedoch nicht allein auf uns gestellt. „Das will ja das Heilige Jahr bewirken, dass wir gemeinsam nach der Hoffnung Ausschau halten und zu ihr hinpilgern“, unterstreicht der Bischof. „Dem dienen die verschiedenen geistlichen Unternehmungen, zu denen wir im Heiligen Jahr eingeladen sind, weltweit und auch in unserem Bistum.“
Des Weiteren verweist Dieser darauf, dass für Christen die Hoffnung auf Gott ihren Ursprung und ihren Grund in Jesus hat. Daraus, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt habe, komme alle Hoffnung, und diese Hoffnung erweise sich als größer und stärker als alles, wovon sie verschlungen werden könne. All das aber müsse sich zu jeder Zeit neu als wirkmächtig erweisen, konkret und aktuell. „Das Evangelium erzählt, wie Jesus selbst sich diesem Kampf ausgesetzt hat in der Wüste“, hebt der Bischof hervor. „Dieser Kampf ist auch unser Kampf. Doch der Sieg und damit die Hoffnung kommen von Jesus, der der Herr ist!“ In diesem geistlichen Kampf gebe es etwa die Versuchung, aus Steinen Brot zu machen. Das Böse und Gefährliche dabei liegt nach Ansicht Diesers nicht darin, dass wir Menschen satt werden wollen, Sinn erfahren, gute soziale Politik erwarten oder für bestimmte Bedarfe Abhilfe schaffen wollen, sondern darin, uns zu überzeugen, all das ginge ohne Gott, nur aus eigenen Quellen. „Werden wir zu Pilgern der Hoffnung, das heißt: Begreifen wir den Glauben an Gott nicht als Vertröstung oder gar als Luxus, sondern als tiefste menschliche Ressource und Lebensquelle“, mahnt der Bischof in seinem Schreiben an die Gläubigen. „Eine Welt, die Gott vergisst, braucht und schafft sich Ersatz für Gott. Sollen am Ende die jeweils Mächtigen alles Recht haben und das letzte Wort besitzen? Wer ist zuständig für die aussichtslosen Fälle? Wer schafft Freiheit, wo Ideologien und Diktaturen alle Kanäle besetzen? Gott ist der Gott der Freiheit.“ Wie der Bischof darüber hinaus erläutert, liege das Böse und Gefährliche auch nicht darin, dass wir uns Ziele setzen und sie auch mit Eifer verfolgen. Dann würden nämlich wunderschöne Begegnungen möglich, indem wir uns denen zuwenden, die ärmer sind und entbehren, was uns geschenkt worden ist, und sich den Verlierern zuzuwenden, nicht um von ihnen zu profitieren, sondern um ihrer selbst willen. „Gott ist der Gott der Begegnung“, unterstreicht Dieser. „Er macht reich ohne Bezahlung, ohne Abrechnung. So begegnet er uns in Jesus.“ Und schließlich liegt nach Auffassung des Bischofs das Böse und Gefährliche auch nicht darin, dass wir Grenzen überschreiten wollen, mit dem puren Alltagstrott unzufrieden werden und Vergnügen und Horizonterweiterungen suchen. Die Versuchung liege vielmehr darin, Gott nicht anzubeten, sondern zu verzwecken. Deshalb liege eine der tiefsten Anklagen gegen die Kirche darin, dass sie in ihrer Geschichte nicht selten Gott dafür in Anspruch genommen habe, eigenes Macht- oder Überwältigungsstreben zu kaschieren und durchzusetzen. Darin aber liege der Ursprung von Missbrauch aller Art.
„Werden wir zu Pilgern der Hoffnung, das heißt: Wir stellen Gott nicht auf die Probe und üben keinen geistlichen Druck aus“, fordert Dieser stattdessen. „Wir verfallen nicht in Weltuntergangsstimmungen und wenden auch keine Überwältigungsmechanismen an, sondern trauen seiner Macht und Größe.“ Weil Gott uns Menschen führe, weil seine Vorsehung unfehlbar sei und Jesus auferstanden sei, seien wir auch fähig, kritische Zeitgenossen zu sein und zu fragen: Wo werden Menschen manipuliert? Wo verlieren sie ihre Würde und ihre Freiheitsmöglichkeiten? Wo herrschen Ideologien und treiben dazu an, blind und kompromisslos in die falsche Richtung zu laufen? „Gott aber ist der Gott der Ermöglichung: Er macht das Leben neu. Er schenkt Vergebung. Er bringt Neues hervor und weckt gemeinsame Freude. Er lässt harte Grenzen schmelzen, und die, die gestern Gegner waren, wirken heute zusammen.“
In seinem Fastenhirtenbrief im Bistum Aachen geht Bischof Dieser auch auf den Gesprächs- und Veränderungsprozess „Heute bei dir“ ein, der unter dem Motto „Ich muss heute bei dir zu Gast sein“ steht und auf die veränderte Zeit reagieren soll. Die größte Veränderung besteht für Dieser darin, dass es heute ganz und gar nicht mehr selbstverständliche Tradition sei, zur Kirche zu gehören, sondern dass der einzelne Mensch sich selbst dazu entscheiden muss und dafür tiefe lebensverändernde Gründe finden kann. Dafür habe das Bistum Aachen die drei Leitbegriffe Freiheit, Begegnung und Ermöglichung gefunden, die in den kommenden Jahren in einer Pastoralstrategie entfalten werden sollen und zwar so, dass viele Menschen heute dem Evangelium Jesu Christi zustimmen und mit uns Kirche sein wollen.
Abschließend weist Bischof Dieser darauf hin, dass die beginnende Fastenzeit und das Heilige Jahr 2025 unter dem Hoffnungswort des Apostels Paulus stehen „Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden!“ (Römerbrief 10,13). Er ruft mit Nachdruck dazu auf, regen Gebrauch davon zu machen, den Namen des Herrn ganz persönlich und in Gemeinschaft anzurufen: durch das tägliche Gebet, durch Gottesdienste, Fasten- und Kreuzwegandachten, die Mitfeier der Heiligen Messe am Sonntag, durch das Freitagsopfer, durch einen persönlichen Fastenvorsatz, durch die Sakramente, besonders das Bußsakrament und den Ablass des Heiligen Jahres, durch Werke der Nächstenliebe und durch Teilnahme an den Pilgerfahrten des Heiligen Jahres im Bistum Aachen oder nach Rom.