Vertrauter Klang schafft ein Gefühl von Heimat und Gemeinschaft

Neubau von St. Petrus Keyenberg (neu) schreitet voran - Glocken aus der Kirche Heilig Kreuz werden in den Neubau integriert - Aufbau einer neuen Gemeinschaft ist eine große Herausforderung

Datum:
Fr. 3. Sept. 2021
Von:
Stabsstelle Kommunikation

Die Heimat zu verlieren, woanders neu anzufangen und wieder Gemeinschaft aufzubauen – das ist ohnehin eine große Aufgabe. Wenn nahezu ein ganzes Dorf umsiedeln muss, ist sie um so gewaltiger. Es braucht Erinnerungen am neuen Ort, um diese Herausforderung zu bestehen. Das kann auch ein vertrauter Klang sein: Deshalb sollen die Glocken der Keyenberger Kirche Heilig Kreuz in den neuen Sakralbau St. Petrus Keyenberg (neu), entworfen von Architekt Gregor Dewey (dbap architekten, Viersen), integriert werden. 

Für die Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten und noch verlassen werden, sind die alt bekannten Klänge der Glocken eine wichtige Erinnerung aus der alten Heimat. Sie stiften ein großes Stück Identität am neuen Ort und erleichtern den Aufbau einer neuen Gemeinschaft. Der vertraute Klang steht für Kontinuität und Gemeinschaftsgefühl. „Die Petruskapelle kann keine der alten Kirchen/Kapellen in ihrem Baustil ersetzen und dies möchte sie auch nicht. Wir leben alle in der Jetztzeit und daher entspricht auch die neue Kapelle dem heutigen Baustil. Wir freuen uns, dass etwas schönes Neues entsteht, wo wir unseren Glauben in Gemeinschaft leben können, Ruhe und Kraft und bei Sorgen und Nöten Zuspruch finden“, betont Agnes Maibaum vom Kapellenvorstand St. Petrus.

Da nun auch die denkmalrechtliche Erlaubnis zur Umhängung der Glocken vorliegt, wird nunmehr mit den dazu notwendigen Arbeiten begonnen. In Zusammenhang mit dem Braunkohletagebau sind Belange des Denkmalschutzes im Braunkohleplan Garzweiler II aus dem Jahr 1995 geregelt. Dieser Plan, so betont die Untere Denkmalschutzbehörde, hat immer noch Gültigkeit. Auch wenn er derzeit in der Diskussion stehe, gebe es keine abschließende politische Entscheidung, ob die Ortslage Keyenberg dem Tagebau weichen muss oder doch erhalten bleiben kann. „Dazwischen steht die Situation der Kirchengemeinde, die angesichts der unerwarteten Aufschiebung der Leitentscheidung geprägt ist durch eine große Unsicherheit und Betroffenheit bei den bereits umgesiedelten und den noch im Umsiedlungsprozess stehenden Gemeindemitgliedern“, betont die Behörde in ihrem Genehmigungsschreiben.

„Um den Kirchturm nicht zu beschädigen, erfolgt die Entnahme der drei Glocken im Inneren durch bereits vorhandene Glockenlöcher, die sich in den einzelnen Turmebenen befinden. Durch diese wurden einst die damaligen „neuen“ Glocken in die Turmstube gezogen. Außerdem dienten die Glockenlöcher bisher für notwendige Reparaturen. Auf diese Weise bleiben die Kirche Heilig Kreuz sowie die Außenhaut des Turmes unversehrt“, sagt Architekt Gregor Dewey.

Seit vielen Jahren bereits bereitet sich die Gemeinde auf ihre Umsiedlung vor. Die Grundsteinlegung erfolgte im März 2021, voraussichtlich im Frühjahr 2022 wird St. Petrus Keyenberg (neu) fertig gestellt sein. Der Neubau ist von Beginn an für die Glocken der Heilig-Kreuz-Kirche geplant worden. „Der Typologie eines rheinischen Vierkanthofs und der Wegeführung eines Kreuzgangs entlehnt, betritt der Besucher über das Atrium und den Haupteingang einen Ort, der ihn räumlich und inhaltlich umschließt, in den er eintauchen und zur Ruhe kommen kann, ohne den Kontakt nach außen zu verlieren“, beschreibt Dewey seinen Entwurf. Die Dachflächen auf der Höhe von ca. 4,30 Meter erhalten eine extensive Dachbegrünung, die höher gelegenen Dächer des Begegnungszentrums nehmen eine Photovoltaikanlage auf, die den Strombedarf der Beleuchtung und Beheizungssysteme in Teilen auszugleichen vermag.

„Die statischen und architektonischen Planungen, Berechnungen und die mittlerweile erfolgte Ausführung des Glockenturms und des Eichenglockenstuhls wurden auf die Größe und die Intonation der drei vorhandenen Glocken der Kirche Heilig Kreuz in Keyenberg abgestimmt“, sagt Gregor Dewey. Der Neubau ist mittlerweile soweit fortgeschritten, dass die Glocken jetzt zeitnah eingebaut werden müssen. Sonst können die folgenden weiteren Bauabschnitte sowie die Gestaltung der Außenanlagen derzeit nicht erfolgen. „Die Glocken aus Alt-Keyenberg müssen vor ihrem Einbau in den Neubau außerdem noch überarbeitet werden. Das dauert rund einen Monat“, erklärt Dewey.

Ursprünglich sah der Entwurf des neuen Sakralbaus vor, dass dort auch Kirchenfenster aus der Heilig-Kreuz-Kirche integriert werden. Darauf verzichtet die Pfarrei Christkönig Erkelenz allerdings mit Blick darauf, dass die Kirche womöglich doch erhalten werden kann. So bleibt der Bau geschlossen und kann zukünftig auch in möglicher neuer Funktion genutzt werden, wenn der Ort Keyenberg erhalten bleibt.

Der Braunkohletagebau prägt den Nordteil des Bistums Aachen bereits seit Jahrzehnten. Im September 2019 hatte die Pfarrei Christkönig alle kirchlichen Gebäude und Grundstücke in den Orten Keyenberg, Berverath, Kuckum, Ober- und Unterwestrich an RWE Power verkauft, weil diese Orte dem Braunkohletagebau weichen sollten. Für die von der Umsiedlung betroffenen Menschen in den Gemeinden gab es mit dem Verkauf der Kirche nach jahrelangem Kampf und Ungewissheit eine klare Perspektive. Außerdem sicherten die finanziellen Mittel einen Neubeginn in den neuen Siedlungen, schließlich will und muss Kirche dahin mitgehen, wo die Menschen sind und sie auf diesem schwierigen Weg begleiten. 

Bischof Dieser fordert weiter schnellere Entscheidung zum Erhalt der Dörfer

Denn sowohl für die bereits umgesiedelten Menschen, als auch für diejenigen, die noch in Keyenberg leben wie für alle, die für den Erhalt der Dörfer kämpfen, hat die jüngste Leitentscheidung vom März diesen Jahres keine wirkliche Entscheidung gebracht. Im Gegenteil: die endgültige Entscheidung für den Erhalt der Dörfer ist bis 2026 verschoben. Das sieht auch der Aachener Bischof Dr. Helmut Dieser mit Sorge. Er kritisierte vor einigen Wochen deutlich die Leitentscheidung und fordert weiterhin eine wesentlich frühere politische Entscheidung für den Erhalt der bedrohten Orte und für einen breit angelegten Prozess der Neugestaltung im Braunkohlegebiet. Mit dem Eintreten für den Erhalt der Dörfer verbindet Bischof Dr. Helmut Dieser auch die Forderung nach einem früheren Ausstieg aus der Kohleverstromung. Der Lebensraum muss nach ökologisch vertretbaren Kriterien gestaltet werden und den Menschen eine zukunftsfähige wirtschaftliche Infrastruktur bieten. Vor allem aber muss der Strukturwandel sozialverträglich gestaltet werden.

Zugleich aber müssen die Umsiedler beim Aufbau der neuen Orte und bei der Gestaltung des Miteinanders weiter unterstützt werden. An beiden Prozessen will das Bistum Aachen mitwirken und gemeinsam mit anderen Akteuren neue Wege gehen und Ideen entwickeln, wie kirchliches und gemeindliches Leben sich vor Ort (neu) entwickeln kann. Das betrifft nicht nur den Ort Keyenberg, sondern generell die Dörfer im Braunkohletagebau auf dem Gebiet des Bistums Aachen.