Ehrenamt stärken, Freiwilligkeit fördern, sowie Mitwirkende begeistern und halten: Darum ging es beim Fachtag Kirchliche Jugendarbeit zum Thema „Engagementförderung“. Mehr als 60 Fachkräfte aus dem ganzen Bistum Aachen waren der Einladung von BDKJ Aachen und der Abteilung Bildung und Seelsorge mit Kindern, Jugendlichen und Jungen Erwachsenen des Bischöflichen Generalvikariates nach Rolleferberg gefolgt.
Karina Siegers, Fachbereichsleiterin kirchliche Jugendarbeit, hob in ihrer Begrüßung die Bedeutung der Engagementförderung hervor. „Als Fachkräfte wissen wir, die Förderung von Engagement, insbesondere in der Jugendarbeit, ist von entscheidender Bedeutung für die persönliche Entwicklung junger Menschen sowie für das Funktionieren unserer Gesellschaft.“ Das habe ganz aktuell auch die 72-Stunden-Aktion eindrucksvoll sichtbar gemacht. Entsprechend der Rahmenordnung für Kirchliche Jugendarbeit im Bistum Aachen sei es wichtig, junge Menschen nach dem Grundsatz "von, für und mit Jugendlichen" zu fördern und sie dabei zu unterstützen, Kirche und Gesellschaft aktiv mitzugestalten, ihren Glauben zu leben und ihre spirituelle Entwicklung zu fördern.
Studie zeigt herausragendes Engagement
Dass das Ehrenamt dies auch tatsächlich bewirken kann, zeigen sozialwissenschaftliche Studien. Magdalena Bickmann, Referentin für Engagementmanagement in der Hauptabteilung Pastoral/Schule/Bildung im Bischöflichen Generalvikariat stellte in ihrem Impulsvortrag eine dieser Studien vor. Der Deutsche Freiwilligensurvey von 2021 ist die letzte große Studie zum Thema freiwilliges Engagement in Deutschland. Sämtliche Analysen, die sich mit dem Thema beschäftigen, nehmen in irgendeiner Art Bezug darauf. Die Studie zeigt, dass die Engagementquote bei den 14- bis 29-Jährigen bei herausragenden 42 Prozent liegt. Rund 48 Prozent der 14- bis 19-Jährigen und um die 39 Prozent der 20- bis 29-Jährigen engagieren sich freiwillig. Bei Schülerinnen und Schülern bzw. Personen mit hohem Bildungsabschluss fallen die Quoten höher aus als bei Personen mit mittlerer und niedriger Bildung. Erwerbsstatus und materielle Ressourcen hängen mit freiwilligem Engagement ebenfalls zusammen. Zudem ist die Beteiligung im ländlichen Raum etwas höher als im städtischen Umfeld. Die Bereiche, in denen sich Jugendliche und junge Erwachsene engagieren, sind in erster Linie Sport und Bewegung (16 Prozent) und bereits an dritter Stelle der kirchliche/religiöse Bereich (sieben Prozent). Dabei wird der Begriff des „Engagements“ von Jugendlichen sehr unterschiedlich interpretiert und hängt maßgeblich von der persönlichen Erfahrung ab. Jungen Menschen, die sich bisher wenig mit dem Thema beschäftigt haben, ist der Unterschied zwischen der Teilnahme an Freizeitangeboten und freiwilligem Engagement häufig nicht klar.
Etwas für das Gemeinwohl tun oder die Gesellschaft mitgestalten
Der stärkste Antrieb für jugendliches Engagement ist die Freude daran. Außerdem sind soziale Motive wie anderen zu Helfen, etwas für das Gemeinwohl tun oder die Gesellschaft mitgestalten zu wollen, wichtig. In der Studie wird deutlich, dass junge Menschen nicht nur einen Antrieb brauchen, um ein Engagement aufzunehmen, sondern auch einen, um es dauerhaft auszuüben. Denn auch jugendliches Engagement wird zunehmend fluide. Möglichkeiten der Mitbestimmung und des Einbezugs sind für junge Menschen ein wichtiger Anreiz. Auch Geld- oder Sachzuwendungen wie Übungsleiterpauschalen oder Honorare spielen eine Rolle und Qualifikationsnachweise sowie das von Erwachsenen entgegengebrachte Vertrauen hat bei den Befragten ebenfalls einen hohen Stellenwert.
Hinderungsgründe für Jugendliche und junge Erwachsene, ein Engagement zu beginnen, sind laut dem Deutschen Freiwilligensurvey u.a. zeitliche bzw. berufliche Gründe, aber auch die Tatsache, nicht zu wissen, wohin man sich wenden kann oder dass junge Menschen sich aufgrund fehlender Kenntnis über die eigenen Stärken als nicht geeignet fühlen. Hier sieht die Referentin gute Ansatzpunkte für die kirchliche Jugendarbeit. Magdalena Bickmann befürwortet ein strategisches Freiwilligenmanagement, dessen Ziel eine engagementfreundliche Organisation ist, die die Interessen und Erwartungen der Organisation und der Engagierten durch verbesserte Rahmenbedingungen in Einklang bringt. „Jede Einrichtung, jeder Verband sollte sich Gedanken dazu machen, was durch die Arbeit von Ehrenamtlichen erreicht und bewirkt werden soll. Auch wenn es klar scheint, dass freiwilliges Engagement ein selbstverständlicher Teil der Organisationskultur ist, ist es sinnvoll, sich vor Augen zu führen, was der Nutzen von Engagement sein soll. Für einen bewussten Umgang und eine gute Grundhaltung gegenüber freiwillig Engagierten ist dies hilfreich. Wichtig ist auch, dass systematisches Freiwilligenmanagement nur in dem Maße eingeführt wird, wie es bewältigt werden kann und gleichzeitig maßgeschneidert ist, wie es zur Einrichtung/zum Verband passt“, betont die Referentin.
Das Fazit von Magdalena Bickmann:
1. Junge Menschen möchten sich vor allem für die Themen und Belange engagieren, die sie selbst beschäftigen. Dafür brauchen sie Unterstützung: Sie brauchen Informationen, jugendgerechte Anerkennung und Möglichkeiten, in ihrem Engagement mitzubestimmen.
2. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen: flexible Engagementangebote, kleine „Engagementpäckchen“ für ein bis zwei Stunden pro Woche, Erfüllung der Motivation, Herausfinden was es für die Bindung benötigt.
3. Professionelle Begleitung von Engagierten bindet Personal-, Zeit- und finanzielle Ressourcen. Damit verbunden ist die Frage: Sind wir bereit diese Ressourcen zur Verfügung zu stellen, haben wir diese Ressourcen und was ist mit unseren Ressourcen leistbar?
4. Versteht man freiwilliges Engagement und Freiwilligendienste als informellen Lernort für die Zukunftskompetenzen junger Menschen und als Raum, in dem Teilhabe möglich wird, weil junge Menschen hier Gesellschaft und Demokratie mitgestalten können, dann sollte jedem und jeder Zugang zu freiwilligem Engagement und Partizipation ermöglicht werden. Freiwilliges Engagement nimmt damit eine zentrale Rolle in der Förderung von Selbstwirksamkeit und Demokratiekompetenz ein.
Eine zentrale Aufgabe der Fachkräfte in der Kirchlichen Jugendarbeit im Bistum Aachen ist es Haltungen, Konzepte und Strategien zu entwickeln, wie Engagierte gefunden und unterstützt, wie diese begleitet und gefördert, wie sie motiviert und begeistert werden können und wie das Engagement der Ehrenamtlichen Wertschätzung erfahren kann. Dazu arbeiteten die Teilnehmenden anschließend in vertiefenden Workshops.
„Der Zulauf an Engagierten kommt nicht von alleine, da muss man schon eine Menge Arbeit und Herzblut reinstecken,“ berichtet Tanja Krabczyk aus der Offenen Jugendarbeit in Nettetal. Und sie nimmt vom Fachtag mit: „Letztlich geht es darum, anders zu denken: Wie spreche ich Leute an? Wie stellt man sich als Einrichtung dar?“ Pastoralassistent Raphael Schlecht aus Jülich bilanziert: „In meiner ehrenamtlichen Tätigkeit in der Jugendarbeit habe ich immer viel zu viel gemacht. Da hätte ich mir eine professionelle Anleitung gewünscht, die auch mal sagt: Mach mal ein bisschen weniger. Es ist ja ganz oft so, dass die Leute, die eh schon viel machen, immer wieder angesprochen werden. Deswegen kann ich es nur begrüßen, wenn man darauf reagiert und in dem Bereich strategischer vorgeht.“ Für ihn ist klar: „Ehrenamt ist auf jeden Fall persönlichkeitsprägend und für mich nicht verhandelbar. Ich finde es toll, Menschen rein zu holen und gelebte Beteiligung zu ermöglichen. Bestenfalls so, dass es mehrere Modelle und verschiedene Angebote gibt. Ehrenamtler kommen nicht von selbst. Wir müssen letzten Endes attraktiv sein.“