Sich vom Negativen nicht überfluten lassen

Oder: „Es kommt auf unsere Position an“

„Weihnachten feiern, das Jahr mit Gott abschließen und das neue aus seiner Hand erbitten, darin liegen Trost und Mut, Freude und Demut zugleich“ (c) Pexels auf Pixabay
„Weihnachten feiern, das Jahr mit Gott abschließen und das neue aus seiner Hand erbitten, darin liegen Trost und Mut, Freude und Demut zugleich“
Datum:
So. 31. Dez. 2023
Von:
Stabsabteilung Kommunikation

Bischof Dieser ruft angesichts harter Fakten in seiner Silvesterpredigt zur Stärkung des gemeinschaftlichen Wirs auf 

Aachen. Der Bischof von Aachen, Dr. Helmut Dieser, hat angesichts der harten Fakten und schlimmen Nachrichten in der Welt dazu aufgerufen, die eigene Position zu überprüfen. „An den hard facts kann ich unmittelbar nichts ändern, wohl aber daran, was sie mit mir machen, vielleicht auch, was sie mit mir machen dürfen und was nicht“, betonte Dieser während der Jahresschlussandacht im Aachener Dom. „Es kommt auf unsere Position an, die wir einnehmen wollen und einnehmen können.“ Um gegen die Überflutung mit Negativem anzugehen, müsse man sich grundsätzlich fragen: Ist die Welt noch viel schlimmer, als wir bislang wissen? Oder machen diese Nachrichten die Welt viel schlimmer, als sie wirklich ist? Dieser forderte deshalb dazu auf, das Wir in allen Dingen zu sehen, auch das Wir in der Kirche. „Weihnachten feiern, das Jahr mit Gott abschließen und das neue aus seiner Hand erbitten, darin liegen Trost und Mut, Freude und Demut zugleich“, so der Bischof.

Zu den harten Fakten dieses Jahres zählte Dieser in seiner Predigt die Gefahr, dass sich durch eine agggressive Außenpolitik Russlands, Chinas, Irans, Irans und Nordkoreas eine echte Krise des Weltfriedens entwickeln könne.  Darüber hinaus mache die Veränderung des Weltklimas vielen Menschen Angst. Weltweite Migrationsbewegungen und Fluchtereignisse stürzten unzählige Menschen in extreme Entbehrungen und Lebensgefahr, und auf der anderen Seite gerieten die Länder, die Ziel von Migration und Flucht seien, an die Grenze ihrer Aufnahmekapazitäten. „In unserem Land stehen wir vor einem Ausbruch an Antisemitismus in Folge des Hamas-Terrors und der Antiisrael-Propaganda, der gerade uns Deutsche beschämt, aber auch entzweit“, mahnte der Bischof. „Die eigene Vergangenheit erweist sich noch immer als trübe Quelle von neofaschistischem Antisemitismus.“ Dieser rechtsextreme Antisemitismus vermische sich auf erschreckende Weise mit einem Antisemitismus aus dem links-intellektuellen Milieu und mit einem importierten Antisemistismus und Judenhass, der islamisch inspiriert sei. Hinzu kämen die Nachrichten über viele innerkirchliche Konflikte und zigtausende Kirchenaustritte im letzten Jahr, die mit einem hohen Bedeutungsverlust der Kirchen und des christlichen Glaubens in unserer Gesellschaft einhergingen.

Diesen harten Fakten stellte Dieser in seiner Predigt den Trost gegenüber, der von Gott komme und nicht billig oder spiritualisiert, sondern gleichsam faktenbasiert sei. „Wie uns nämlich die Leiden Christi überreich zuteil geworden sind, so wird uns durch Christus auch überreicher Trost zuteil“, unterstrich der Bischof. „Das ist die Position, die alles verändert, die aufrichtet, tröstet und neu handlungsfähig macht.“ Gottes Erbarmungen und Gottes Trost seien in Christus in die Welt gekommen, und deshalb sei Gott im Menschen selbst, in unserer Welt, in allen Nachrichten, die Menschen produzierten, ja in den harten Fakten von heute. Die Leiden, die eine christliche Gemeinde heimsuchten, seien Anteil an den Leiden Christi, welche schon bei seiner Geburt im Unterschlag beim Nutzvieh begonnen und mit Jesu wortlosem Schrei beim Sterben am Kreuz geendet hätten. „Wer an Christus glaubt in allen Zeiten, kann daran nie und nimmer vorbei: Unser Erlöser ist nicht als überlegener Held in diese Welt gekommen, und er hat sie auch nicht durch blanke Übermacht und Überwältigung neu mit dem Gott des Erbarmens und dem Gott allen Trostes verbunden und versöhnt, sondern durch die Leiden Christi: durch Ohnmacht und Erniedrigung, durch Sühne und Stellvertretung, durch Hingabe und Opfer, durch Verlust und Verlassenheit“, hob der Bischof in seiner Predigt hervor.

Das Geheimnisvolle sei aber nicht, dass die Leiden Christi auch die an ihn Glaubenden heimsuchten, sondern das Geheimnisvolle sei der Trost. Deshalb täten ihm die vielen Kirchenaustritte so weh, bekannte Dieser. „Wer aus der Kirche austritt, hat vielleicht andere Quellen des Trostes gefunden. Was aber, wenn nicht?“, fragte der Bischof. „Wohin wenden sich die Ausgetretenen? Wollen sie sich den Trost selbst geben? Oder finden sie sich bitter damit ab, dass es gar keinen wirklichen Trost gibt?“ Der Trost komme von Christus, und deshalb solle man sich gegenseitig in der Gemeinde sagen: Es tröstet mich, dass du zur Kirche gehörst. Es tröstet mich, dass wir gemeinsam glauben. Es tröstet mich, dass ich auch durch dich weiter in der Kirche an Christus glauben kann.  Nach Ansicht Diesers ist die erste Quelle des Trostes immer neu das Gebet, in dem man sowohl als einzelne Person wie in der gottesdienstlichen Gemeinschaft Gott die ganze sich so schmerzlich verirrende Welt und die leidenden Menschen von heute ans Herz legen könne. „Wir flehen um Versöhnung zwischen den verfeindeten Lagern und Blockbildungen. Wir beten für die Verfolgten, die Rechtlosen, die in Angst und Verachtung Getriebenen. Wir beten um Weisheit und Mut für alle, die uns regieren. Wir beten um eine Erneuerung unserer Kirche in Glaube, Hoffnung und Liebe“, führte Dieser aus.   

Der Bischof von Aachen rief aber auch zum Handeln auf. So solle man zum Beispiel gezielt auf Menschen zugehen, einem Leidenden zuhören und bei ihm aushalten, etwas Schönes und Frohes suchen und es mit anderen teilen, die eigenen digitalen Surfzeiten im Internet mäßigen, sich ehrenamtlich in einer seriösen Hilfsorganisation engagieren, vom Recht der Meinungsfreiheit Gebrauch machen und nicht schweigen zu dem, was unerträglich sei, sich politisch gegen die Radikalisierungen positionieren sowie die Extremisten und Populisten nicht unterstützen.

Am Ende seiner Predigt schloss Dieser sich der Meinung des früheren Innenministers Gerhart Baum an. Der 91-jährige Politiker hatte kürzlich in einem Interview betont, dass die Kirchen die ganz wichtige Funktion hätten, aus dem Glaubenselement heraus Hoffnung und Mut zu entwickeln, die Probleme zu lösen sowie das Leben, die eigenen Probleme und die Probleme der Gesellschaft in die Hand zu nehmen und nicht irgendwie in Mutlosigkeit und Passivität zu verfallen. „Die Kirchen sind werteorientiert, geben den Menschen Halt und sind auch Träger von Hoffnung. Hoffnung ist notwendig für den Mut, etwas zu verändern“, zitierte der Bischof den ehemaligen Minister.  „Lassen wir uns das am Ende des Jahres gesagt sein.“