Neun Jahre, die bewegter kaum hätten sein können. Neun Jahre, in denen Dr. Andreas Frick als Generalvikar die Geschicke des Bistums Aachen entscheidend geprägt hat. Eine Zeit, in der es etliche Reformen gab und angestoßen wurden. Zu seinem Abschied blickt der 59-Jährige im Interview mit der Kirchenzeitung für das Bistum Aachen zurück und verrät, wohin die Reise geht.
In der Wirtschaft schafft es ein CEO auf eine durchschnittliche Amtszeit von sieben Jahren, die Halbwertzeit eines Bundesligatrainers wird mitunter in Tagen gemessen. Als Generalvikar blicken Sie bei Ihrem Abschied nunmehr auf eine Amtszeit von neun Jahren. Sind Sie damit einer der dienstältesten Generalvikare?
Das weiß ich gar nicht so genau, ist jedoch auch nebensächlich. Als Bischof Heinrich Mussinghoff mich zum Januar 2015 als Generalvikar berufen hat, war dies zunächst eine Berufung auf Zeit. Im Oktober des Jahres wurde er 75 Jahre alt, und am 8. Dezember 2015 hat Papst Franziskus seinen Rücktritt angenommen. Darauf habe ich mich bewusst eingelassen. Seitdem sind neun Jahre vergangen, und ich bin sehr dankbar für alles, was wir in dieser Zeit bewegen konnten.
Was hat Sie in dieser Zeit am meisten geprägt?
Es gab schon sehr intensive Momente während meiner Amtszeit. Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt innerhalb des Bistums war und ist dabei mit Sicherheit ein prägendes Thema. Ich habe sehr emotionale und bewegende Gespräche mit Betroffenen geführt, die nach Jahrzehnten zum ersten Mal den Mut fanden, sich einem Menschen zu offenbaren und uns Mut gemacht haben in der Art, wie wir verfahren. Es gab jedoch auch diejenigen, denen wir nicht schnell genug, nicht umfassend genug waren; wiederum anderen haben wir zu schnell und zu offen agiert. Ich habe immer die Vergewisserung auch im Gebet gesucht: Machen wir alles richtig, gehen wir zu weit? Ich bin überzeugt, dass unser Weg im Sinne der Betroffenen der richtige ist. Wir müssen aushalten, dass das nicht jeder so sieht.
Bevor Sie Bischof Mussinghoff im Januar 2015 zum Chef der Verwaltung ernannt hat, trugen Sie zuvor in vielen Positionen Verantwortung. Unter anderem auch als Direktor des Pauluskollegs, dem Theologen-Konvikt des Bistums Aachen. Wie hat sich über die Zeitläufte hinweg das Priester-Dasein verändert?
Schon damals wurden die angehenden Priester auch auf „Verwaltungsaufgaben“ vorbereitet. Die Aufgaben der Pfarrer waren immer schon sehr vielfältig und umfassten eben nicht nur die Seelsorge. Dieser Aspekt hat sich in den vergangenen Jahren sicherlich verschärft. In der Seelsorge liegt jedoch das Herz der Kirche. Für einige ist das ein Dilemma. Und daher ist es gut, wenn wir nun durch die neuen Strukturen von Pfarren, Pastoralen Räumen und Orten von Kirche lebendige Netzwerke schaffen und ermöglichen wollen. Die Leitung wird im Team verantwortet, das wird auch die Geistlichen entlasten.
Haben Sie jemals mit Ihrer Berufung gehadert?
Ich bin mit Leib und Seele Seelsorger. Zweifel an meiner Berufung zum Priester hatte ich nie.
Als Generalvikar ist man nicht nur Priester, sondern auch Top-Manager. Was macht eine gute Führungskraft aus?
Hören und verstehen zu wollen, die Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit, systemisch zu denken sowie zwischen unterschiedlichen Aspekten vermittelnd mit Zielen zu moderieren. Aber es geht auch darum, Entscheidungen zu treffen und diese auch zu verantworten und dafür geradezustehen. Das sind meines Erachtens wichtige Themen. In der Kirche leiten wir mit Zielen aus dem Evangelium, aus dem Bedarf des kirchlichen Auftrags und mit vielfältigen Formen von Beteiligung.
Das Zauberwort, mit Krisen, Rückschlägen und Konflikten umzugehen, heißt Resilienz. Woher schöpfen Sie auch abseits des Glaubens Ihre Kraft?
Die wichtigste Quelle ist ohne Zweifel der Glaube. Durch das Gebet bin ich im Austausch mit Christus und hoffe dabei immer, dass ich ihn richtig verstehe und entsprechend handle. Jenseits dessen kann ich mich in der Tat beim Schwimmen sehr gut erholen sowie bei Urlauben in der spätherbstlichen Brise am deutschen Nordseestrand oder beim Langlauf in den Alpen.
Wie gehen Sie mit persönlichen Rückschlägen um?
Ich habe, um ehrlich zu sein, hierin nicht sonderlich viel Erfahrung.
Von Anfang an standen Sie mit Ihrer Persönlichkeit dafür, Fehler, die in der Kirche gemacht wurden, offen anzusprechen. Wie weit sind Sie auf dieser Wegstrecke?
Ich habe immer gesagt, „Kirche ist Kommunikation“. Und das gilt für sämtliche Themen. Die Öffentlichkeit hat wahrgenommen, dass wir als eines der ersten Bistümer unsere Bilanz veröffentlicht haben. Ebenso waren wir eines der ersten Bistümer, das eine eigene und unabhängige Studie zum Umgang mit sexualisierter Gewalt in Auftrag gegeben und veröffentlicht hat. Wir sind auch in der Umsetzung vieler der an uns gestellten Aufgaben daraus schon sehr weit.
Mit den öffentlichen Aufrufen zu Tätern und mutmaßlichen Tätern sexualisierter Gewalt haben Sie gemeinsam mit Bischof Dr. Helmut Dieser im Bistum Aachen einen bislang einzigartigen Schritt getan. Inzwischen sind einige Wochen ins Land gegangen. Welches Resümée ziehen Sie?
Wir haben unseren Wissensstand unter den erläuterten Kriterien transparent gemacht. Für ein Resumée ist es noch zu früh, aber wir lernen aus sämtlichen Rückmeldungen, die wir zu diesem Thema bekommen, auch aus den weniger erfreulichen. Die Entscheidung, Namen zur veröffentlichen, um bislang unbekannte Betroffene zu ermutigen, sich zu melden, ist auch aus heutiger Sicht richtig.