„Prävention macht Freude“

3 Fragen an die neue Präventionsbeauftragte des Bistums Aachen, Mechtild Bölting

Mechtild Bölting (c) Bistum Aachen - Jari Wieschmann
Mechtild Bölting
Datum:
Fr. 6. Mai 2022
Von:
Stabsstelle Kommunikation

Die Präventionsordnung, die seit 2010 fortlaufend weiterentwickelt und nun zum 1. Mai aktualisiert wurde, gibt vor:

„Die Prävention ist integraler Bestandteil der kirchlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen. Ziel der katholischen Kirche und ihrer Caritas ist es, allen Kindern und Jugendlichen sowie schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen, im Geiste des Evangeliums und auf der Basis des christlichen Menschenbildes, einen sicheren Lern- und Lebensraum zu bieten. 

In diesem Lern- und Lebensraum müssen menschliche und geistliche Entwicklung gefördert, sowie Würde und Integrität geachtet werden. Dabei soll vor Gewalt, insbesondere vor sexualisierter Gewalt, geschützt werden. Bereits psychische und physische Grenzverletzungen sind zu vermeiden.

Prävention als Grundprinzip professionellen Handelns trägt bei Kindern, Jugendlichen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen dazu bei, dass sie in ihrer Entwicklung zu eigenverantwortlichen, glaubens- und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten gestärkt werden. Dabei ist die Sexualität als ein Bereich des menschlichen Lebens zu würdigen.“

Wesentliche Punkte sind in der neuen Präventionsordnung weiterentwickelt worden. Welche Punkte sind aus Ihrer Sicht am wichtigsten?

Wichtig finde ich, dass bei der Prävention jetzt in vorbeugend (primär), begleitend (sekundär) und nachsorgend (tertiär) unterschieden wird. Konkret heißt das, dass der Präventionsbegriff nicht nur auf die Verhinderung sexualisierter Gewalt abzielt bevor etwas passiert. Stattdessen wird in der Präventionsordnung nun sichergestellt, dass aus einem Vorfall Lehren für die Zukunft gezogen werden und Prävention damit zu einem dauerhaften Prozess wird. Dazu wird in der Fachstelle PIA eng mit der Intervention zusammengearbeitet. 

Zudem gilt der Schutz jetzt auch für Personen, die einem besonderen Macht- und/oder Abhängigkeitsverhältnis unterworfen sind. Dies ist eine wichtige Erweiterung auf alle Menschen, die im Bereich der kath. Kirche sich engagieren, leben und arbeiten.

Auch wenn die Änderungen jetzt nicht alle neu sind, wurden diese guten Erfahrungen aus der Praxis der letzten Jahre nun als verbindliche Standards festgelegt.

„Sexuelle Bildung“ soll künftig eine entscheidende Rolle spielen. Durch welche Maßnahmen und Methoden soll das erreicht werden?

Die rigide Sexualmoral der katholischen Kirche wird in der MHG-Studie als ein Risikofaktor für sexualisierte Gewalt beschrieben. Aus diesem Grund hat die Deutsche Bischofskonferenz mit dem Synodalen Weg hierzu eine Diskussion auf den Weg gebracht, auf der Grundlage, dass sich das Verständnis und die Praxis von Sexualität in unserer Gesellschaft und im Leben der Menschen deutlich verändert haben: Sexualität ist ein essentieller Bestandteil des Lebens. Genau das spiegelt sich nun in der neuen Präventionsordnung wieder. Da es sich um ein lebenslanges Bildungsthema handelt, wird der Begriff der ‚Sexualpädagogik‘ in der neuen Präventionsordnung ersetzt. Prävention gehört meiner Meinung nach nicht in den pädagogischen Giftschrank, denn, wenn man weiß, was man mag, fällt es viel leichter, sich von dem abzugrenzen, was man nicht mag. Als Folge geht es jetzt darum, das Thema ‚Sexualität‘ besprechbar zu machen. Eine positive Sexualentwicklung und eine altersangemessene, grenzachtende Ausübung sind ein wirksamer Schutz vor sexualisierter Gewalt. Daher wird das Thema bei den Präventionsschulungen und der Überarbeitung der Institutionellen Schutzkonzepte aufgegriffen.

Im Mittelpunkt soll die Perspektive möglicher Betroffener stehen. Was bedeutet das konkret?

Menschen, die im kirchlichen Kontext sexualisierte Gewalt erlebt haben, möchten ihre Erfahrungen in die Weiterentwicklung der konkreten Präventionsarbeit im Bistum Aachen einbringen. Dafür sind wir sehr dankbar.

Die Deutsche Bischofskonferenz positioniert sich mit diesen Ergänzungen eindeutig für einen anderen -  angemessenen - Umgang mit sexualisierter Gewalt.

Über Mechtild Bölting 

„Prävention macht Freude“: Mit diesem positiven Ansatz hat sich Mechtild Bölting für die Stelle des Präventionsbeauftragten im Bistum Aachen beworben. Und seit dem 1. Februar dieses Jahres hat die 54-jährige Kinderkrankenschwester, Dipl. Sozialpädagogin und Supervisorin die Funktion nun inne. Zuvor war Sie mehr als 15 Jahre als Schulsozialarbeiterin und Präventionsfachkraft in der Bischöflichen St. Angela-Schule in Düren tätig. Das Thema ‚sexualisierte Gewalt‘ hat die Mutter zweier erwachsener Kinder ihr ganzes Berufsleben begleitet, „weil es überall da ist“. Auch aus diesem Grund schloss sich Mechtild Bölting im Jahr 2002 als ehrenamtliches Vorstandsmitglied dem Verein „basta!“ (gegen den sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen) in Düren an und organisierte in dieser Rolle seit 2013 freiberuflich die Ausbildung aller Präventionsfachkräfte im Bistum Aachen. Für das erste Jahr im neuen Amt hat sich die Präventionsbeauftragte vorgenommen die Neuerungen der Präventionsordnung zu implementieren. „Ich stehe nach innen und außen hin ein für die Umsetzung der Präventionsordnung zum Schutz von denen, die sich vertrauensvoll an Gemeinden und Einrichtungen wenden.“