... bei Dr. Karl Weber, seit Oktober 2019 Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken und seit vielen Jahren ehrenamtlich in den Gremien der katholischen Kirche engagiert.
Die GdG-Wahl wird ganz besonders getragen vom Diözesanrat der Katholiken. Warum sind die Gremien vor Ort und damit auch die Wahl aus Ihrer Sicht wichtig?
In den Gremien vor Ort wird oft beharrliche Arbeit geleistet. Dort arbeiten wirklich die Leute mit, die den „Laden am Laufen halten“. Das ist oftmals unspektakulär, zugleich aber auch eine ganz wichtige Funktion, im Blick auf die Aufgaben, die anstehen.
Krisen, Skandale, Briefe aus Rom: Viele Christinnen und Christen hadern mit ihrer Kirche. Warum macht es trotzdem Sinn, sich in der Kirche zu engagieren?
Hadern allein hilft ja nicht, sondern nur wenn ich mich für eine Sache engagiere, kann ich sie verändern. Aber es stimmt schon, dass derzeit viele Christinnen und Christen der Kirche wenig Veränderung zutrauen. Und das hemmt natürlich. Umso mehr sind Menschen mit einem großen Kämpfer:innenherz gefragt, die nicht nur nach oben schauen, sondern die unten das anpacken, was für die Menschen vor Ort notwendig ist. Und das kann auch im Bistum Aachen sehr unterschiedlich sein.
Ganz konkret: Wie gestalten GdG-Räte, Pfarrei-Räte und auch Kirchenvorstände das kirchliche Leben vor Ort?
Grundlegende Fragen der Pastoral und die Vermögensverwaltung sind die Kernaufgaben, die die Satzungen vorgeben. Die Erfahrung im Blick auf die konkrete Situation ist: die Umsetzung sieht in jeder GdG anders aus, weil die Situationen oftmals sehr unterschiedlich sind. Es ist halt ein Unterschied, ob man in einer dörflichen Struktur mit einem gewachsenen Vereinsleben tätig ist oder ob es eine Großstadt ist, in der das ehrenamtliche Engagement in den Innenbezirken anders strukturiert ist als in den Außenbezirken. Und eines darf man auch nicht Acht lassen: Hauptamtliche, damit meine ich nicht nur Pfarrer, können ehrenamtliches Engagement zulassen aber sie können es auch verhindern.
Mancherorts fehlt es allerdings an Kandidatinnen und Kandidaten: Wie lassen sich die Menschen für die Arbeit in den Gremien motivieren und wie versucht auch der Diözesanrat der Katholiken mehr Menschen für das Engagement zu begeistern?
Die Wahl ist ja sehr stark auf die Gottesdienstgemeinde fixiert. Und die nimmt seit Jahren ab. Allerdings spielt sich Gemeinde auch anderswo ab, im Kindergarten, im Altenheim, im Jugendtreff, in vielen Verbänden. Wenn es gelingt, hier Menschen für die Mitarbeit zu gewinnen, wäre das ein großer Schritt.
Gerade mit Blick auf den laufenden "Heute bei dir"Prozess dürfte die nächste Legislaturperiode sehr spannend werden. Ist das eine besondere Herausforderung?
Die größte Herausforderung ist, dass man bis jetzt - Stand 21. Juni - immer noch nicht weiß, was konkret auf dem Tisch liegen wird. Aber uns als Diözesanrat war es wichtig, Wahltermine nicht von den Planungen externer Prozesse abhängig zu machen. Eigentlich müsste es genau andersherum sein: bei der Prozessgestaltung müssten Gremientermine aktiv mit eingebunden werden, damit schon im Vorfeld Entscheidungswege klar sind. Das ist übrigens in der Kommunalpolitik üblich. Dort werden Beratungsfolgen festgelegt und somit hohe Beteiligung gesichert. Das offensichtliche Demokratiedefizit der katholischen Kirche beruht einfach darauf, dass viele Verantwortungsträger in der Pastoral wenig bis gar keine Erfahrungen mit demokratischen Gremien haben. Da haben wir ein Stück weit Durchlässigkeit zu gesellschaftlichen Entwicklungen verloren, die man auch mit noch so aufwendig gestalteten Prozessen nicht aufholen kann.
Im Sinne des Subsidiaritäsprinzips können die Gremien in der Gemeinde sehr viel entscheiden. Wie können sie die bevorstehenden Veränderungen gestalten?
Da braucht es ein klares Bekenntnis: Kirche lebt von unten, von der Präsenz vor Ort. So sicher ist das Subsidiaritätsprinzip nämlich gar nicht. Tendenzen, möglichst große Verwaltungseinheiten einzurichten, sind hier und da ebenfalls spürbar. Aber solange es funktionierende Einheiten vor Ort gibt, warum sollte man sie dann zerschlagen? Da gibt es viel Kreativität, Kenntnisse, zum Teil langjähriges Engagement. Dann gehört auch die Entscheidung über grundlegende Fragen der Pastoral und über die finanziellen Ressourcen in die Hände vor Ort. Es wird ein wichtiger Gradmesser für den „Heute bei Dir“ Prozess sein, ob es gelingt diese Ressourcen zu erhalten und Bedingungen zu schaffen, sie zu fördern.
Welche Veränderungen erhoffen Sie sich für das Bistum Aachen? Was muss passieren, damit die Kirche wieder näher bei den Menschen ist?
Mut macht mündig - unter diesem Motto haben wir 2019 unsere Positionen vorgelegt, in der wir ein neues Verständnis von Kirche fordern, eine Kirche, die auf dem Engagement von vielen beruht, und die dafür auch die entsprechenden Strukturen der Beteiligung schafft. Gewaltenteilung ist dafür eine wichtige Voraussetzung. Aber etwas Grundsätzliches finde ich ebenfalls wichtig: Kirche kann man nicht machen, sie ist keine Marketingveranstaltung für den Heiligen Geist. Sie entsteht dort, wo Menschen aus dem Evangelium ihr Leben deuten. Und dazu gehört heute das Eingeständnis, dass es nicht nur ein Sprachproblem ist, dass wir heute nicht verstanden werden. Es geht um Haltungen, Einstellungen, Lebensfragen, die wir teilweise für uns selbst nicht beantworten können. In der Suche nach der Kirche von morgen werden wir Lernende sein.
Was wünschen Sie sich für die anstehenden Wahlen?
Eine möglichst hohe Wahlbeteiligung, viele interessante Kandidat:innen und Menschen, die mit ihrer Aufstellung bezeugen, dass ihnen Glaube und gesellschaftliches Engagement heute wichtig sind.