Besonders aufgeregt waren die 18 Kinder nicht, die am 16. Mai zum Landesentscheid im Vorlesewettbewerb des Deutschen Buchhandels für Nordrhein-Westfalen aus Bonn und Bielefeld, Hagen und Hamm, Münster und Mönchengladbach ins Katechetische Institut gekommen waren.
Auf einer Skala von eins bis zehn lag der Grad der Anspannung bei den meisten unmittelbar vor Beginn des Wettbewerbs bei sechs, wie Sarah Ziegler von MausLive, Moderatorin des Landesentscheids, erstaunt feststellte. Die Jury zeigte sich da schon deutlich aufgeregter; denn Bernd Held (Verleger der Edition Pastorplatz), Sarina Holtrup (Buchhandlung „Das Worthaus“), Olaf Müller (Leiter des Kulturbetriebs der Stadt Aachen) und Tobias Steffen (Schauspieler des DasDa-Theaters) waren zum ersten Mal mit der Aufgabe betraut, das beste Vorlesekind Nordrhein-Westfalens zu küren. Nur Susanne Laschet (Buchhändlerin und Publizistin) blieb ganz entspannt; immerhin war sie schon einmal als Jurorin dabei – wenn auch seinerzeit nicht in Aachen, wo der Landesentscheid bisher noch niemals zu Gast gewesen ist. An die Premiere erinnerte sie sich allerdings so gern zurück, dass sie sich auch jetzt wieder ungemein auf den Tag, die Bücher und vor allem natürlich die Kinder freue.
Der Vorlesewettbewerb, der seit 1959 stattfindet, ist die bundesweit größte Leseförderungsaktion und einer der größten Schülerwettbewerbe Deutschlands. Er steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten und wird von der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels veranstaltet. Der Vorlesewettbewerb soll die Lesekompetenz von Kindern stärken und deutlich machen, wie sehr es sich lohnt, den eigenen Horizont durch Lektüre ständig zu erweitern. „Der Landesentscheid passt insofern bestens ins Katechetische Institut“, betonte dessen Leiter Alexander Schüller in seiner Begrüßung. Schließlich setze sich das Bistum Aachen seit vielen Jahrzehnten für die Leseförderung vor Ort ein und verfüge mit der Fachstelle für Büchereiarbeit im Katechetischen Institut sogar über eine eigene Institution, die die ca. 90 Katholischen Öffentlichen Büchereien bei etlichen Aufgaben wie u.a. Bestandsaufbau und -pflege unterstütze.
Die 18 Kinder, die die Jury in zwei Runden von ihren Lesefähigkeiten zu überzeugen suchten, hatten sich in den bisherigen Entscheiden auf Klassen-, Schul-, Stadt- und Bezirksebene durchgesetzt – gegen mehr als 110.000 Schülerinnen und Schüler von 1.230 Schulen. In der ersten Leserunde stellten sie ein selbstgewähltes Buch vor, darunter Klassiker wie Huckleberry Finn, aber auch aktuelle Jugendromane wie Markus Orths lustige Familiengeschichte „Crazy Family“ oder Helen Rutters „Ich heiße Billy Plimpton“ über einen stotternden Jungen, der davon träumt, Komiker zu werden. Aus diesem Buch lasen sie eine Passage, einige sogar je nach Sprecherrolle mit wechselnden Stimmen. Dieses schauspielerische Talent begeisterte nicht nur Tobias Steffen, sondern alle Zuhörerinnen und Zuhörer. In der zweiten Leserunde wurde den Kindern jeweils ein unbekannter Textausschnitt vorgelegt, in diesem Jahr aus dem Roman „12 Stockwerke. Mein unglaubliches Zuhause am Ende der Welt“ von Arndís Thórarinsdóttir und Hunda Sigrún Bjarnadóttir. Das Buch hatte Martin Hungenbach ausgesucht, Inhaber der Buchhandlung „Das Worthaus“, die den Landentscheid zusammen mit dem Börsenverein durchführte und das Katechetische Institut dafür ins Boot geholt hatte.
Nach der zweiten Vorleserunde stieg die Anspannung sowohl unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmer als auch den anwesenden Eltern und Lehrerinnen und Lehrer nahezu ins Unermessliche. Angesichts der wunderbaren Leistungen beneidete niemand die Jury, die sich nach intensiver Beratung gleichwohl auf einen Sieger einigen konnte. Doch Bürgermeisterin Hilde Scheidt verkündete den Namen erst, nachdem alle Kinder eine Urkunde und mehrere Beutel mit Geschenken des Börsenvereins, der Buchhandlung, der „Maus“ und des Katechetischen Instituts erhalten hatten. Dann allerdings hieß es: Siegerin im Landesentscheid NRW des Vorlesewettbewerbs 2024 ist ... Lina Schepers vom Gymnasium der Stadt Voerde. In der ersten Runde hatte Lina die Jury mit einer Passage aus „Das Wunder von Narnia“ überzeugt. In der zweiten Runde hatte sie bewiesen, dass sie auch einen unbekannten Text lebendig und mitreißend zu lesen vermag. Bereits am 19. Juni geht es für Lina weiter. Sie wird Nordrhein-Westfalen beim Bundesentscheid in Berlin vertreten. Darüber hinaus gewann sie einen Tag bei den Audio-Angeboten der Maus im WDR in Köln und darf als Co-Moderatorin im MausLive-Studio dabei sein. "Was für eine großartige Veranstaltung", resümierte Alexander Schüller, "so viele spannende Bücher, so viele begeisterte und begeisternde Kinder – und so viel Fairness. Zwei Teilnehmerinnen und Teilnehmer erzählten mir sogar, sie hätten sich auf Anhieb so gut verstanden, dass sie miteinander in Kontakt bleiben wollten." Lesen verbindet – selbst bei einem Wettbewerb.