„Glaube an gemeinsamen Gott stiftet Hoffnung“

Ansprache in der Synagoge in Aachen (c) Bistum Aachen
Ansprache in der Synagoge in Aachen
Datum:
Mi. 8. Mai 2024
Von:
Stabsabteilung Kommunikation

Bischof Dieser betont in Ansprache in der Synagoge die Partnerschaft von Juden und Christen

Europa steht gegen Ausgrenzung, Rassismus und Nationalismus

Der Bischof von Aachen, Dr. Helmut Dieser, hat es als das größte Geschenk seines Lebens bezeichnet, dass er als Christ an den Gott Israels glauben kann und sein Leben sowie alle Hoffnung auf Erlösung und Vollendung alles Irdischen von ihm empfängt. „Ich bin überzeugt, dass wir, Juden und Christen, in diesem Glauben keinerlei Konkurrenz oder Gegnerschaft zueinander haben“, betonte Dieser am Himmelfahrtstag bei einer Feierstunde in der Synagoge aus Anlass der diesjährigen Verleihung des Internationalen Karlspreises an Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt und die jüdischen Gemeinden in Europa. „Die Versöhnung und die Anerkennung der jeweiligen Berufung macht uns vielmehr zu Geschwistern im Glauben und macht uns gemeinsam fähig, das eigene Gewissen und das der Gesellschaften, in denen wir leben, zu formen und zu pflegen.“ Ohne eine solche Investition in das Menschlichste des Menschen drohten Europa und der Menschheit der Inhumanismus und die Zerstörung der Grundlagen des Zusammenlebens, warnte Dieser.

 

Wie der Bischof des Weiteren ausführte, sieht er heute besonders drei Herausforderungen für die gesellschaftliche Gewissensbildung, in denen Christen und Juden gemeinsam gefordert sind: die Bekämpfung jedweder Form von Antisemitismus und der Zerstörungsabsichten des Staates Israel, die Bekämpfung jedweder Form von rassistischem und völkischem Gedankengut, verbunden mit der Absicht, die demokratische Gesellschaftsform zum Absterben zu bringen, und schließlich jedwede Form von religiösem oder sonst ideologischem Extremismus, der den eigenen Weg als alternativlos erklärt und alle anderen Gedanken und Überzeugungen gewaltsam ausgrenzt. „Europa steht heute gegen all das“, hob Dieser hervor. „Sie, lieber Preisträger, und mit Ihnen die jüdischen Gemeinschaften in Europa tragen dazu bei, dass Europa stark bleibt gegen solche gewissenlose Selbstzerstörung.“

 

In seiner kurzen Ansprache verwies Dieser darauf, dass er jeden Morgen im katholischen Stundengebet den Tag mit dem Gebet des Jerusalemer Tempelpriesters Zacharias „Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels“ eröffne. In der Aachener Synagoge werde der Gott Israels in viel früherer Tradition und Treue als der katholischen Tradition angerufen und verehrt, und es sei der Gott Israels, der den Preisträger des Karlspreises 2024 und mit ihm die jüdischen Gemeinschaften Europas ins Leben gerufen habe und ihnen seine Treue erweise. „Ich betone das ganz bewusst als Angehöriger des Volkes, das die Schuld und Verantwortung für die Schoa trägt, also die himmelschreienden Verbrechen aus der Absicht heraus, alles Jüdische in Deutschland und in ganz Europa auszulöschen und alle Angehörigen des jüdischen Volkes zu ermorden“, unterstrich Dieser. Dass sechs Millionen jüdische Menschen dem grausam zum Opfer gefallen und unzählige jüdische Kulturgüter und Besitztümer zerstört und geraubt worden seien, stelle ein Unrecht dar, das bis heute nicht ausgeglichen sei, und Verbrechen, die mit nichts Menschenmöglichem gesühnt werden könnten. „‚Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels´, will ich aber dennoch heute hier rufen“, erklärte Dieser. „Denn nur der Glaube an ihn stiftet eine Hoffnung auf Gerechtigkeit und Erlösung über dieses Leben hinaus. Und er vollbringt die großen und kleinen Wunder, dass Menschen schon in diesem Leben umdenken lernen, neu beginnen, neue und bessere Wege finden.“

 

Ausdrücklich hob der Bischof hervor, dass Goldschmidt großen Anteil daran habe, dass jüdische Gemeinschaften in Europa und in Russland neu entstanden seien, sich organisieren, miteinander abstimmen und in vielfältige Dialoge in ihren Gesellschaften hätten eintreten können. Das gehöre ebenso zu den geistlichen Wundern nach dem Zweiten Weltkrieg wie die Tatsache, dass Goldschmidt immer den Geist der Verständigung und der Offenheit für Pluralismus und Toleranz verbreitet habe. Besonders im Dialog mit den anderen Religionen, dem Christentum und dem Islam. Als katholischer Bischof freue er sich insbesondere darüber, dass die Europäische Rabbinerkonferenz, der Goldschmidt vorstehe, zusammen mit dem Rabbinischen Rat von Amerika in der Erklärung von 2017 „Zwischen Jerusalem und Rom“ die Entwicklung von Versöhnung und Gemeinschaftlichkeit zwischen Juden und Christen würdige und bestätige, die durch das Zweite Vatikanische Konzil und die Erklärung „Nostra Aetate“ ausgelöst worden war.

 

„Lieber Preisträger, gerne stimme ich heute dieser Partnerschaft zu und wünsche mir, dass sie auch hier in Aachen und an den beiden anderen Standorten jüdischer Gemeinschaften in unserem Bistum, Mönchengladbach und Krefeld, und an vielen anderen Orten mutig miteinander bedacht und konkret entfaltet wird“, erklärte Dieser feierlich. Europa bedürfe dringend der Religionsfreiheit sowie Religionsfreundlichkeit und damit der je eigenen religiösen Quellen, die Extremismus und Intoleranz erkennen und zurückweisen und mit besseren Werten überwinden. „Heute freue ich mich mit Ihnen, lieber Preisträger, darüber, dass wir als Juden und Christen an diesen selben und einen Gott glauben und seinen Auftrag für das Zusammenleben aller Menschen gemeinsam erkennen und wahrnehmen wollen“, schloss Dieser.

Ansprache von Bischof Dr. Helmut Dieser in der Synagoge in Aachen