Auf einer außerordentlichen Synodalversammlung haben sich die diözesanen Räte im Bistum Aachen gemeinsam mit Bischof Dr. Helmut Dieser und Generalvikar Dr. Andreas Frick über den aktuellen Stand der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt ausgetauscht. Hintergrund für die außerhalb der Öffentlichkeit stattgefundene Beratung am vergangenen Samstag in Aachen war der Wunsch verschiedener Räte-Vertreterinnen und Vertreter, nach dem öffentlichen Aufruf zu Tätern und mutmaßlichen Tätern dem Thema einen eigenen Tag zu widmen.
„Es war sehr wichtig, dass wir in einem vertrauensvollen Raum Zeit hatten, miteinander ins Gespräch zu kommen“, betont Gabi Terhorst als Mitglied des Diözesan-Pastoralrates. Sexualisierte Gewalt löse vielfältige Erschütterungen in den Kirchengemeinden, Gremien und bei Gläubigen aus. Umso wichtiger sei es, immer wieder die Perspektive der Betroffenen einzunehmen, die unendliches Leid erleben mussten.
"Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs erzeugt Unruhe und Verunsicherungen vielerlei Art und in vielerlei Beziehungsfeldern", unterstrich Bischof Dr. Helmut Dieser in seinem Eingangsstatement vor rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Umso wichtiger sei es, dieses hoch komplexe Thema offen und im direkten Gespräch miteinander zu bearbeiten.
Vertreten waren die verschiedenen diözesanen Räte – der Diözesanrat der Katholik*innen, der Diözesanpriesterrat, der Diözesanpastoralrat, der Diözesancaritasrat, die Regionalteams sowie ein Vertreter des Domkapitels und leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bischöflichen Generalvikariats.
Die mehrstündige Aussprache, in der es auch um eine ausführliche Dokumentation des Stands der Aufarbeitung seit der Veröffentlichung des unabhängigen Missbrauchsgutachtens im November 2020 ging, moderierte der Berliner Organisationsberater Marek Spitczok von Brisinski, der intensiv in die Aufarbeitung der Vorwürfe sexualisierter Gewalt am Berliner Canisius-Kolleg eingebunden war.
Das wichtigste Motiv bei allen Bemühungen müsse die Orientierung an den Betroffenen des Missbrauchs sein, unterstrichen Bischof Helmut Dieser und Andreas Frick: "Es geht um ihr Recht auf Aufarbeitung, ihre Chance, aus dem Dunkelfeld herauszutreten und selbst wirksam zu werden, ihre Erwartung, Glauben zu finden und ihr Leid nicht mehr allein bewältigen zu müssen“, so der Bischof. Für Andreas Frick „lässt sich Kirche nicht allein auf den Missbrauch reduzieren, aber es habe in der Vergangenheit eine erschreckende Häufung von Taten gegeben. "Was Kirche ist, können wir nur nach vorne bringen, wenn wir dieses Thema glaubwürdig und transparent aufarbeiten", so der Generalvikar.
Aus diesem Grund liege der Fokus der Aufarbeitung nicht auf den Tätern und ihrer Schutzrechte, sondern bei den Betroffenen. Darin liege ein tiefer Paradigmenwechsel, der bei Verwandten, Freunden und Menschen in den früheren Einsatzorten der Täter und mutmaßlichen Täter eine große Irritation auslöse. "Wenn also Aufarbeitung bis zur öffentlichen Täternennung geht, dann tragen viele mit und leiden an den zerstörerischen Folgen der Missbrauchsverbrechen, was bis dahin nur die Betroffenen im Verborgenen auszuhalten hatten", betonte Bischof Dr. Helmut Dieser.
Aus den Reihen der Versammlung sah sich der Bischof mit der Frage konfrontiert, warum das Bistum Aachen in der Frage der Täternennung vorgeprescht sei und es keine gemeinsame Abstimmung innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) gegeben habe. Hierzu Bischof Dieser: "Wie schon beim Gutachten sind wir über die gemeinsame Erklärung der DBK hinausgegangen, gerade auch weil wir hier in Aachen entschlossen vorgehen wollen."
Im weiteren Verlauf berichteten Weihbischof Karl Borsch und Ausbildungsleiterin Sabine Kock zur Neuaufstellung der Priesterausbildung. Die Leiterin der Hauptabteilung Personal, Margherita Onorato-Simonis, stellte die Prozesssicherheit bei möglichen Meldungen vor und der Leiter der Stabsabteilung Prävention, Intervention, Ansprechpersonen (PIA), Christoph Urban, gab einen ersten Einblick in die Resonanz auf die öffentlichen Aufrufe.
Heribert Rychert, Vorsitzender des Diözesanrats der Katholik*innen, setzte sich insbesondere dafür ein, dass die Ableitungen aus dem Synodalen Weg mit in den systemischen Kultur- und Haltungswandel einfließen.
Nachmittags gab es Raum für die Arbeit in Kleingruppen, die weitere relevante Themen für die Aufarbeitung identifiziert haben. Diese Inhalte werden systematisch ausgewertet und sollen in die weitere Arbeit mit einfließen.