Nach den Worten des Bischofs von Aachen, Dr. Helmut Dieser, hilft uns das Weihnachtsfest heute, uns zuallererst an der Schöpfung zu freuen.
„Unsere Welt ist wunderbar, weil der Schöpfergott sie durch sein Wort hervorgebracht und seine Logik hineingelegt hat“, erklärte der Bischof in seiner Predigt am ersten Weihnachtstag im Aachener Dom. „Das Weihnachtsfest will in uns auslösen, dass wir nicht achselzuckend stehen bleiben und sagen: Alles nur unbegreiflicher Zufall!, sondern: von Gott gewollt, von Gott für richtig, stimmig und schön befunden, ja noch mehr: von Gott geliebt bis in die letzte Galaxie, bis ins kleinste Atom und Elementarteilchen hinein.“ Weihnachten stiftet aus der Sicht Diesers Vertrauen in die Lebensfähigkeit der Schöpfung: Wir Menschen könnten sie zwar ruinieren, ja wir könnten Tod verbreiten, doch Gottes Wort sei und bleibe die Gegenkraft, dass Neues werden könne und die Menschen aufhören könnten, gegen das Schöpferwort zu handeln und nicht mehr wie Räuber und Verwüster in der Schöpfung zu leben.
In seiner Predigt führte Dieser aus, dass menschliches Sprechen so mächtig sein könne, dass es Wirklichkeit schaffe oder verändere wie etwa der Spruch eines Gerichts, die Ausrufung eines Staates, ein Lob, ein Tadel oder eine Kränkung beziehungsweise Beleidigung. „Gerade heute erleben wir, wie sehr durch Sprache, durch so genannte Narrative, Wirklichkeit bestimmt werden soll und wie Menschen sich dem, was durch Sprache erzählt wird, beugen müssen: So ist es, und nicht, wie du meinst!“, merkte der Bischof kritisch an. „Genauso funktioniert Propaganda, heute unüberschaubar multipliziert durch Social Media und ihre Algorithmen.“ Sprache schaffe Wirklichkeit, doch dahinter müsse es Geist geben: Wissen, Wollen, Verstehen, Erinnern. Ohne Geist keine Sprache: An Weihnachten sagten uns die Texte der Heiligen Schrift, dass dieser Zusammenhang viel größer und früher sei als die Menschen. Bevor der Kosmos und im Kosmos der Planet Erde entstanden sei und bevor auf dem Planeten Erde Menschen entstanden seien, die Geist und Sprache hätten, gebe es Geist und Sprache, die alle Wirklichkeit hervorgebracht habe, alle Wirklichkeit verstehe, sie wolle und leite und noch mehr: sie lobe, schön finde und gut mache. „Alles aber, was ist, kommt aus dem Geist und der Sprache, die Gott ist, Gott, der Eine und Dreifaltige“, betonte Dieser. „Ja, Gott ist in sich unendlicher Geist und Sprache, und wir Menschen sind ihm darin ähnlich, genau das hat er gewollt, so hat er uns und alles, was ist, hervorgebracht und so will er es weiterhin.“
Wie der Bischof in seiner Weihnachtsansprache des Weiteren darlegte, sage der Hebräerbrief über das Wort, das aus Gott hervorgehe, dass es sein Sohn sei, durch den er die Welt erschaffen habe und der das All durch sein machtvolles Wort trage. Doch dann stelle sich die Frage, wie es uns Menschen gelinge, in Geist und Sprache Gott ähnlich zu leben, nicht nur zu überleben, sondern gottgemäß Menschen zu sein? Die Antwort der Heiligen Schrift verlange von uns einen Sprung, keinen unmenschlichen, sondern einen vollkommen menschlichen: den Sprung in den Glauben, so der Bischof. Denn Geist und Sprache des Menschen ließen Raum für den Glauben. „Wir können nie alles wissen, verstehen, deuten und gestalten, das kann nur Gott, für den nichts unmöglich ist“, räumte Dieser ein. „Was uns aber möglich ist, ist Glaube, der Geist und Logik nicht widerspricht, sondern ganz und gar auf seiner Linie liegt, auf der verlängerten Linie dessen, was wir erkennen und verstehen können.“ Dieser Sprung in die Verlängerung und in den Glauben liege in der Botschaft des Weihnachtsfestes, denn laut dem Johannesevangelium sei das Wort Fleisch geworden und habe unter uns gewohnt. „Was Gott hervorgebracht hat durch sein Wort, in das hinein drückt sich sein Wort einmalig und ein für alle Mal aus, indem es selbst Fleisch annimmt, das heißt: ein Mensch wird“, hob Dieser hervor.
Ganz ähnlich beschreibe der Hebräerbrief dieses Urgeheimnis des christlichen Glaubens, indem er betone, dass Gott zu uns durch den Sohn gesprochen habe, den er zum Erben von allem eingesetzt habe und der „der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens“ sei. „Der Mensch heilt und findet sein Leben nur über den Menschen“, schlussfolgerte Dieser. „Nur über den Menschen kann die Heilung von den Sünden kommen, aber nur dann, wenn ein neuer Mensch aufträte, dem man sich selbst ganz anschließen und überlassen, dem man ganz trauen, dem man sich ausliefern, ja den man in sich selbst aufnehmen könnte.“ Genau das sei durch das Weihnachtsgeheimnis wahr und möglich geworden für alle Menschen: Dieser neue Mensch sei Jesus, weil Gott in ihm das Menschsein lebe. Noch mehr und noch eindeutiger als an Weihnachten könne Gott gar nicht mehr zu uns sprechen, denn Geist und Sprache Gottes seien jetzt ein wirklicher Mensch, der in sein Eigentum komme und bei uns wohne, weil er einen Leib habe wie wir. „Und der Glaube, den wir dafür brauchen, wird zum Hingehen, zum Mitgehen, zum Nachfolgen, zum Handeln ähnlich wie Jesus“, stellte der Bischof fest. „All das macht uns zu Kindern Gottes, ähnlich wie Jesus Sohn Gottes ist.“ Heute mache Gott alles von uns größer und besser, heute mache er auch unseren Leib fähig, Gott in sich aufzunehmen, wenn wir Menschen Jesus aufnähmen. Er reinige uns von Sünden und befreie uns dazu, wie er geliebt zu sein und lieben zu können. „All das ist das tiefe Geheimnis, das in den sieben Sakramenten liegt: Der unseren irdischen Leib angenommen hat, kommt hinein in mein leiblich-irdisches Leben. In jeder Heiligen Kommunion“, so der Bischof.
Zusammenfassend verdeutlichte Dieser, dass die Krippe uns anspreche und sage: Was du hier siehst, ist um deinetwillen geschehen. Das Kind sei neugeboren und der Neuanfang Gottes mit der Schöpfung, das Licht, das jeden Menschen erleuchte; die Mutter, die es ansehe und sein Geheimnis kennt, Josef, der es annehme auf seinen Namen; die Hirten, die als erste hinzugekommen seien, weil sie dem Wort der Engel trauten. In den Tier en, den Pflanzen, den Sternen, dem Weltall sei Gottes Liebe und Menschenfreundlichkeit zu sehen, schloss der Bischof.