Bischof Dieser ermuntert in Fastenhirtenbrief Gläubige zum Mut zur Veränderung

Bischof Dr. Helmut Dieser (c) Bistum Aachen / Carl Brunn
Bischof Dr. Helmut Dieser
Datum:
So. 6. März 2022
Von:
Stabsstelle Kommunikation

Aachen, - Der Bischof von Aachen, Dr. Helmut Dieser, hat alle Gläubigen in seiner Diözese aufgefordert, nicht aus der Kirche auszutreten, sondern weiterhin Mut zur Veränderung beim synodalen Weg auf Bundesebene und beim diözesanen Reformprozess „Heute bei dir“ zu haben. „Nutzen Sie die Fastenzeit, um die Veränderungen, die damit angestrebt werden, geistlich auf sich wirken zu lassen!“ schreibt Dieser in seinem heute veröffentlichten Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit 2022. „Lassen Sie uns im Gespräch bleiben mit denen, die von ihren Zweifeln hin und her gerissen werden.“

Zerreißprobe der Kirche ist schmerzlich-spannender und realer als jeder Krimi

In seinem Fastenhirtenbrief räumt Dieser ein, dass die Zerreißprobe, die die Kirche und die Menschen in ihr derzeit durchmachten, schmerzlich-spannender und realer sei als jeder Krimi.  Viele Gläubige verlören ihr Vertrauen in den Weg der Kirche überhaupt, und manche könnten auch das Glaubensbekenntnis nicht mehr mitsprechen. Aus einem unerträglichen Schmerz oder einer unstillbaren Wut heraus kämen sie zu dem Schluss, dass eine rote Linie überschritten sei und sie deshalb weggehen und aus der Kirche austreten müssten. „Sie sagen: Gott ist woanders, nicht bei dieser Missbrauchs- und Skandal-Kirche und ihrem kriminellen Weg durch die Menschheitsgeschichte!“, betont der Bischof in seinem Schreiben. „Dieser Gedanke ist so nah und so einsichtig, dass die Behörden nicht mehr mit Terminen nachkommen, weil so viele aus der Kirche austreten.“ Auch könne niemand dabei sagen: „Es musste ja so kommen!“ oder „Am Ende wird ohnehin alles gut“, denn die Überlebenden des sexuellen Missbrauchs seien um ihr Unversehrtsein und viele auch um ihr Lebensglück gebracht worden.

Jede Reform der Kirche kann nur aus Gottvertrauen und Glaubensmut gedeihen

Andererseits fragt der Bischof nachdenklich: „Wohin austreten?“ Nirgendwo sei etwas endgültig heilig, denn es gebe keinen Bereich des Menschen, in dem man nicht ganz tiefe reale Anfechtungen durchmachen müsse. Selbst Jesus, der Sohn Gottes, sei in der Wüste vom Teufel in Versuchung geführt worden. Jesu Anfechtungen seien real gewesen und hätten wirklich sein Weg werden können. „Doch er widersteht. Er weiß, tiefer als wir alle: Gott ist heilig, sein Wille bleibt gut!“, unterstreicht Dieser. „Und das gilt auch für unsere Zeit: Heilig ist Gott allein! Heilig wird und bleibt der Mensch nur in Jesus, doch das ist ein Weg und oft ein Kampf, das ist ein Drama ohne lebenslange Immunität.“ Eines der frühesten christlichen Glaubensbekenntnisse laute: Jesus ist Herr - so wie Gott Herr ist. Die Fastenzeit, die über 40 Tage hin bis zu dem österlichen Drama Jesu führe, bringe dieses Glaubensgeheimnis wieder ganz nahe. „Jede Reform der Kirche kann nur gedeihen aus solchem Gottvertrauen, solchem Glaubensmut“, hebt der Bischof in seinem Fastenhirtenbrief hervor. „Auch der Gesprächs- und Veränderungsprozess ,Heute bei dir´ in unserer Diözese, auch der Synodale Weg aller Diözesen in Deutschland führen dann zu tragfähigen Reformen, wenn wir mit dem Heiligen Geist die Wüste bestehen, wenn wir nahe eigenen Herzen nicht daran irre werden: Jesus ist der Herr.“ 

Der synodale Gesprächs- und Veränderungsprozess „Heute bei dir“ war von Bischof Dieser im Jahr 2017 in seiner Silvesterpredigt ausgerufen worden. In verschiedenen Phasen, Gruppen und Foren sollen kirchliche Zukunftsthemen bearbeitet, entschieden und später umgesetzt werden. Zuletzt hatte der Synodalkreis erste Eckpunkte vorgelegt, nach denen künftig unter anderem neue Führungs- und Leitungsmodelle eingeführt, die pastoralen Räume gestärkt und ein neues Miteinander von Haupt- und Ehrenamtlichen, Frauen und Männern ermöglicht werden sollen. Ende März soll auf der Synodalversammlung über die vorläufigen Beratungsvorlagen des 17-köpfigen Gremiums beraten werden. 

Frühlingshaft gemeinsame Erfahrungen vom Kirche-Sein machen

In seinem Fastenhirtenbrief räumt Bischof Dieser ein, dass man zu den Beschlüssen der Reformprozesse sagen könne: „Alles von Grund auf falsch! Oder: Alles viel zu wenig!“ Er bittet aber die Gläubigen darum,  die Beschlüsse ernsthaft zu erwägen und gemeinsam weiterzugehen, zu beraten, zu unterscheiden, zu entscheiden und anzuwenden, was als richtig erkannt werde. „Gemeinsam unterwegs sein bedeutet ja nicht uniform, einförmig unterwegs sein“, erklärt Dieser. „Auch unsere Kirche kann nicht uniform sein, sondern sie ist vielfältig.“ So könne der Heilige Geist sich immer neu als stärker erweisen als die Verbrechen, Abgründe und Verleugnungen, zu denen die Menschen fähig seien. „So wächst eine neue gemeinsame Hoffnung. So beginnen wir frühlingshaft auch wieder neue gemeinsame Erfahrungen von Kirche-Sein zu machen“, betont der Bischof zum Beginn der Fastenzeit. „Bitte bleiben wir als Kirche im Bistum Aachen beieinander in der Hoffnung!“  

Wir können hineingehen, es durchleben und zur Hoffnung und Freude von Ostern durchbrechen. Wo das geschehe, werde die Kirche neu, und zwar ganz nahe, also in unseren eigenen Herzen

Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit 2022