Dieser Frage widmete sich die Tagung „August Pieper und der Nationalsozialismus – Eine historische Aufarbeitung". Nach der Eröffnung durch Akademiedirektor Dr. Karl Allgaier stellte in seinem einleitenden Vortrag Prof. Dr. Olaf Blaschke (Münster) – einer der renommiertesten historischen Forscher zur Kirche in der NS-Zeit – fest, worin August Pieper für den Katholizismus seiner Zeit „typisch" und worin er „untypisch" war: Neben damals auf katholischer Seite üblichen Abwehrstrategien gegenüber den linken/kommunistischen Bewegungen, war er „untypisch" in der Weise, wie er seit Beginn der 1920er Jahre mehr und mehr seine Idee der „Deutschen Volksgemeinschaft" der Zugehörigkeit der Römisch-Katholischen Kirche überordnete. Für den späten August Pieper, der sich religiös nun ausdrücklich auf den nationalsozialistischen Begriff der „Gottgläubigkeit" bezog, könne man anhand der Quellen belegen, dass dieser (obwohl Priester) sich wohl nicht mehr als Vertreter seiner ursprünglichen Kirche verstanden hat. Dieser These Blaschkes wurde von den anwesenden Forschern nicht widersprochen.
August Pieper war bemerkenswerterweise den Quellen nach kein Antisemit!
Antisemitismus war in der Weimarer Republik in nahezu allen Bereichen der Gesellschaft und v.a. auch in einer bestimmten, abgeschwächten Variation in kath. Kreisen verbreitet. August Piepers Bruder Lorenz Pieper – auch Priester, ein früher Vorkämpfer der NSDAP seit 1922 und engster Vertrauter seines Bruders – war damals einer der engagiertesten Antisemiten auf katholischer Seite. Bemerkenswert ist allerdings, dass sich in August Piepers Nachlass kaum eine Spur von Antisemitismus findet – auch nichts von dem, was katholisch damals sozusagen „salonfähig" war. Archivar Dr. Wolfgang Löhr (Mönchengladbach) schließt allerdings auch nicht aus, dass Lorenz Pieper nach dem Krieg Teile seiner Korrespondenz mit seinem Bruder vernichtet hat.
Der Einfluss auf Bischof Johannes J. van der Velden bedarf einer eigenen Klärung.
Die Rolle van der Veldens – letzter Vorsitzender des Volksvereins, Bewunderer Piepers und Bischof von Aachen seit 1943 – ist nur schwer zu erfassen. Er wollte mit der Benennung des August-Pieper-Hauses im Jahre 1953 den Sozialethiker Pieper zur Geltung kommen lassen. Dr. Bernd Heims (Paderborn) Hinweise zeigten auf der Tagung eine diesbez. überaus Komplexe Sachlage auf. Um die Rolle van der Veldens hinreichend zu untersuchen, bedarf es eigenen Forschungen.
Ist der Name „August Pieper" noch haltbar?
Dennoch hat der Vortrag des Buchautors Werner Neuhaus unter dem Titel „August Pieper und der Nationalsozialismus" die ganze Problematik eines dringend neu zu zeichnenden Bildes vergegenwärtigt. Er schloss mit dem Satz: „Erst nach Ablauf der Sperrfrist am 1.1.2013 ist es möglich, August Piepers umfangreichen Nachlass wissenschaftlich auszuwerten und erst jetzt schwankt sein Charakterbild in der Geschichte. Ich bin gespannt, zu welcher Seite der Bewertung August Piepers die Diskussion sich in der folgenden Zeit neigen wird."
Danach war die Frage nach dem Namen des gastgebenden Tagungshaues nicht mehr zu unterdrücken. Der Tagungsleiter, Dr. Marco A. Sorace, machte darauf aufmerksam, dass in dieser Diskussion darüber keinesfalls eine Entscheidung herbeigeführt würde, sondern dass diese bei den Verantwortlichen des Bistums liegt. Prof. Dr. Kuropka (Vechta), betonte abmildernd, dass Pieper seine späten Schriften offenbar niemals zur Veröffentlichung vorgesehen habe. Olaf Blaschke indessen gab zu bedenken, dass die jetzige Tendenz von Umbenennungen leicht dorthin führen könne, dass wir Straßen und Plätze irgendwann (weil in fast jeder Biographie dieser Zeit Spannungen enthalten sind) nur noch „nach Blumen benennen könnten". Werner Neuhaus sieht es als problematisch an, dass viele andere Persönlichkeiten mit NS-Vergangenheit ein „Nachleben" gehabt hatten, in dem sie sich nochmals anders bewähren konnten. Für August Pieper sei die Zustimmung zum NS indessen der Schlusspunkt seines Lebens gewesen.
Ergebnis der Tagung
Keiner der Forscher konnte und wollte bestreiten, dass August Pieper zwischen 1933 und 1942 ein deutliches Bekenntnis zur Unterstützung des NS vorgelegt und dieses – soweit es ihm gesundheitlich möglich war – verbreitet hat.