„Gustavo Gutiérrez hat sein Leben und seine Theologie in den Dienst der Armen gestellt. Im Einklang mit dem Evangelium leistete er einen Beitrag zur Veränderung von ungerechten und unmenschlichen Strukturen.“ Das sagt der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat Pater Martin Maier in einer ersten Reaktion auf die Meldung vom Tod von Gustavo Gutiérrez. Mit 96 Jahren ist der „Vater der Befreiungstheologie“ am 22. Oktober in Lima gestorben. Der Titel seines 1971 erschienen Buches „Theologie der Befreiung“ sei nicht nur der Namensgeber einer weiteren theologischen Schule oder Richtung gewesen. „Sein Werk ‚Theologie der Befreiung‘ war der Ursprung einer neuen Art, Theologie zu treiben, einer neuen Art, Kirche zu leben, einer neuen Art, den christlichen Glauben gesellschaftlich wirksam werden zu lassen“, ist Pater Maier überzeugt. Schließlich trug Gutiérrez auch zu einem weltkirchlichen Austausch in der Kirche bei. Theologische Entwicklungen wurden nun nicht mehr ausschließlich von Europa aus in die christlich geprägte Welt gebracht, fortan gab es auch Impulse aus Lateinamerika, wo eine eigenständige theologische Reflexion und Praxis entstanden war.
Der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, der mit Gustavo Gutiérrez freundschaftlich verbunden war, erinnert an die humorvolle Art, mit der er auf die immer wieder vorgebrachte Behauptung reagiert habe, die Theologie der Befreiung sei tot. Seine Antwort: Sie könne gar nicht tot sein, solange er als Vater der Befreiungstheologie noch keine Einladung zur Beerdigung erhalten habe. „Heute steht fest: Die Befreiungstheologie lebt auch nach dem Tod ihres Vaters und Namensgebers weiter. Das ist die gute Nachricht für die vielen Armen, Hungernden und Ausgegrenzten in Lateinamerika und weltweit“, betont Pater Maier. Die bereits zuvor katastrophale soziale Lage habe sich in Lateinamerika infolge der Corona-Pandemie, der vom Ukraine-Krieg ausgelösten Inflation sowie den politischen und wirtschaftlichen Krisen in den Ländern selbst massiv verschärft. „Eine Theologie und eine Kirche, die ihr Handeln an der vorrangigen Option für die Armen ausrichtet, ist heute notwendiger denn je“, ist Pater Maier überzeugt. „Es muss als Christinnen und Christen unser Hauptanliegen sein, den Armen in ihrer Not zu helfen und die ungerechten Strukturen zu beseitigen, die zur Verarmung und Not führen. Das ist Nachfolge Jesu Christi, wie sie die Evangelien beschreiben, Gustavo Gutiérrez sie gelehrt und gelebt hat und auch Papst Franziskus in seinem Reden und Handeln beispielhaft umsetzt“, so der Adveniat-Hauptgeschäftsführer. Gutiérrez erhielt Gastprofessuren und Ehrendoktortitel in der ganzen Welt, blieb aber in seiner Heimatstadt Lima in einem Armenviertel. Sein Lebensinhalt als Priester, Theologe und Dominikaner war es, den Armen zu vermitteln, dass Gott sie liebt.
Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, steht für kirchliches Engagement an den Rändern der Gesellschaft und an der Seite der Armen. Getragen wird diese Arbeit von vielen Spenderinnen und Spendern – vor allem auch in der alljährlichen Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember. Adveniat finanziert sich zu 95 Prozent aus Spenden. Die Hilfe wirkt: Im vergangenen Jahr konnten 1.200 Projekte mit rund 31 Millionen Euro gefördert werden, die genau dort ansetzen, wo die Hilfe am meisten benötigt wird: an der Basis, direkt bei den Menschen vor Ort.