Ich hör den Nachrichtensprecher sagen: “Der Frischepunkt Deutschlands befindet sich in der Eifel. Diese Nacht fällt die Temperatur auf 7° C.” Wie oft befand sich in diesem wolkengrauen Sommer der Frischepunkt Deutschlands in der Eifel? Ich habe aufgehört zu zählen.
Allein in den letzten zwei Monaten ist der Klimawandel hier so offen-sichtlich, dass man sich absichtlich wegdrehen muss, um ihn zu übersehen. Kälte in der Eifel, Starkregen, Flutkatastrophe, Hitze und Feuer rund ums Mittelmeer in den schönsten Feriengebieten. Der Bericht des Weltklimarates bestätigt nur noch, was wir alle spüren. Die Situation hat sich schnell dramatisch verschlechtert.
Corona geht weiter, neue Varianten, neue Panik, aber noch nicht genug Information, um Risiken, Nebenwirkungen und Langzeitfolgen der Krankheit, der Medikamente und Impfungen ausreichend abzuschätzen. Die Krankheit existiert noch nicht lange genug. Auch öffentliche Institutionen haben weiterhin unterschiedliche Auffassungen über das, was zu tun ist. Die wirtschaftlichen Folgen sind drastisch, hohe Verluste auf der einen Seite und gigantische Gewinne auf der anderen.
Der Rückzug der ausländischen Militärs aus Afghanistan und die Evakuierung der Mitarbeitenden hat uns noch einmal den Krieg und seine Folgen direkt vor die Haustür gelegt. Deutschland ist zuständig und mitverantwortlich zu handeln. Aber wie?
Am Napofluss in Ecuador zeigt sich der Klimawandel genauso deutlich. Bananenstauden faulen im Wasser, das zu lange zu hoch steht oder es kräuseln sich die Blätter der Urwaldbäume in der Hitze, wenn es wochenlang nicht mehr regnet. Das ewige Eis der Äquatorvulkane, das den Napo mit Wasser versorgt, schmilzt weiter. Man kann sich auf Regen- und Pflanzzeiten nicht mehr verlassen. Fische können in den ausgedehnten Nebenarmen und Lagunen nicht mehr laichen, die Jungfische können die Lagune nicht mehr verlassen, wenn plötzlich das Wasser fehlt. Das tägliche Essen ist in Gefahr.
Arbeitsplätze in den Städten gibt es coronabedingt immer weniger. Homeoffice ist wegen fehlendem Internet so unmöglich, wie die digitale Schule. Die seit Jahrzehnten katastrophalen Zustände im Gesundheitssektor wurden durch Corona endlich offen gelegt, aber nicht verbessert. Die Naporuna gehen auch mit Corona meist nicht ins Krankenhaus. Sie wissen, dass die Gefahr an Corona zu sterben, dort noch größer ist als zuhause.
Überall im Staat fehlt es an Geld. Der Erdölabbau soll noch in diesem Jahr verdoppelt werden. Bevor der Westen kein Erdöl mehr kauft, soll auch der letzte Tropfen aus dem Urwaldboden gepresst sein. Zugleich wird der Goldabbau hochgefahren. Gold wird gekauft, jetzt! Ecuador muss seine Coronaschulden zahlen, die Wirtschaft wieder hochfahren.
Trotzdem haben die Menschen am Napofluss deutlich weniger Angst und Panik als in Deutschland. Krisen sind hier ein Teil der Lebenserfahrung jedes Menschen. Die Zeit ist wie ein sich vor- und zurückschlängelnder Amazonasfluss, der sie immer wieder in Todeszeiten hinein, aber auch wieder herausbringt. Viele ihrer Legenden erzählen -genau wie die Erfahrungen der Alten - von lebensbedrohlichen Flutzeiten und Erdbeben, von vielen Toten und dem Rest der Menschen, der übrigblieb, um neu zu beginnen mit dem Leben. Ihre Helden sind die Menschen, Tiere und Pflanzen, die auch in Todeszeiten noch und wieder neu für Leben sorgen können, die sich, auch mit nichts in der Hand, nicht von Leben abhalten lassen.
Lateinamerikanische Jugendliche schreiben ihre Hoffnung an die Wände. Sie nennen das “Aktion Poesie”. Einige Beispiele sehen wir auf den Fotos.
Übersetzung der Texte von Acción Poética:
Schwierige Zeiten kommen näher. Lieben ist dringend.
Vorsicht mit den Ängsten. Die lieben es, Träume zu klauen.
Wieviele Sachen verlieren wir aus Angst vor dem Verlieren.