Katholische Seelsorge in den Rheinischen Kliniken und dem Heilpädagogischen Heim Düren: Konzept der Psychiatrieseelsorge

1. Rahmenbedingungen

Die psychiatrisch Versorgung gestaltet sich heute seit der Reform der deutschen Psychiatrie (ab 1975) „gemeindenah“ als ein Netz von Einrichtungen und Diensten. Zu diesem Netz gehören die psychiatrischen Kliniken für die stationäre Behandlung psychisch Erkrankter, Einrichtungen für die ergänzende Weiterbehandlung und Rehabilitation, sowie vielfältige Dienste, Initiativen und Treffpunkte der Selbst- und Angehörigenhilfe, die die Integration und Lebensgestaltung Betroffener fördern und begleiten.

Die katholische Kirche als ein Träger der Psychiatrieseelsorge zählt mit zum sozialpsychiatrischen Versorgungsverbund. Der Inhalt ihres Versorgungsbausteins heißt ‚Seelsorge’. Dieser Seelsorge kommt eine dreifache Funktion zu:

  1. die individuelle Begleitung und Betreuung erkrankter Menschen und Angehöriger, innerhalb als auch außerhalb der Kliniken,
  2. Ansprechpartner zu sein für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtungen mit dem Angebot einer seelsorgerischen Begleitung, sowie
  3. das Brücke-Sein zur Gemeinde, hinein in den sozial-pastoralen Lebensraum.

Darum soll zeitgemäße Psychiatrieseelsorge als integrierte Pastoral für den stationären, komplementären und ambulanten Bereich der Psychiatrie konzipiert werden.

Die Psychiatrieseelsorge ist gemäß dem „Leitbild der Psychiatrieseelsorge im Bistum Aachen (2003)“ dem gemeindepsychiatrischen Verbund verpflichtet.

Konkret ist sie verortet an den Rheinischen Kliniken Düren. Sie wirkt im Sinne einer ganzheitlichen Begleitung des Kranken partnerschaftlich zusammen mit allen im Krankenhaus und ihren Einrichtungen Tätigen.

 

2. Ansatz der Seelsorge

Die Psychiatrieseelsorge stellt sich der besonderen Situation des kranken Menschen, seiner Lebensgeschichte, seinen Fragen an die Umwelt, an sich selbst, an den Sinn des Lebens und an Gott. Durch seine Krankheit und sein Ausgeliefertsein an das Krankenhaus gerät sein Selbst-, Welt- und oft sogar sein Gottesverständnis ins Wanken. In dieser krisenhaften Situation will die Psychiatrieseelsorge Menschen für die Erfahrung einer tieferliegenden, unzerstörbaren Ganzheit vermitteln. Sie greift die bedrängenden Alltagserfahrungen auf und verbindet sie mit der Zusage Gottes, dass auch in dem, was als schmerzlicher Verlust erfahren wird, ein Wachsen und ein Neuwerden verborgen ist. In vielfältigen Formen des Gesprächs, Gebets sowie des gottesdienstlichen und sakramentalen Handelns geht die Psychiatrieseelsorge diesen Weg der „Gefährtenschaft in der Bedrängnis“.

Die Psychiatrieseelsorge sucht die Betroffenen an den Orten und in den Bezügen auf, in denen diese sich befinden. („Geh-hin-Struktur“) 


3. Zielgruppen

Der Psychiatrieseelsorge an den Rheinischen Kliniken und den Heilpädagogischen Heim Düren sind psychisch erkrankte Menschen (in akutem und chronischem Zustand) sowie geistig behinderte Menschen anvertraut. Sie wendet sich auch an die Angehörigen, ist ansprechbar für alle, die im Dienste der Kranken stehen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bietet sie persönliche Begleitung und theologisch-fachliche Beratung an.


4. Inhalte der Seelsorge

4.1. Handlungsziele

In der Krisensituation ihrer psychischen Erkrankung/Behinderung bietet die Psychiatrieseelsorge aus der Perspektive des christlichen Glaubens Lebens- und Glaubenshilfe an, durch persönliche Begleitung und pastorale Beratung.

Lebenshilfe:

Psychiatrieseelsorge leistet Hilfestellung

  • zur Bewältigung individueller Not und Leidenssituationen durch Zuwendung und Verständnis,
  • zur Stärkung und Wiedererlangung von Eigenständigkeit, Eigenverantwortung und Subjektwerdung,
  • bei der Gestaltung des Lebens als Kranker (Berufstätiger/Angehöriger),
  • zur Annahme seiner selbst; von Gott gerufen und geliebt zu sein, so wie man ist,
  • zur Vermittlung einer Kraft zum Menschsein,
  • zur Integration von nicht aufhebbarer Lebensbeeinträchtigung in das persönliche Lebenskonzept,
  • zur Integration in die Gesellschaft (gegen Isolierung und Aussonderung).

Glaubenshilfe:

Psychiatrieseelsorge leistet Hilfestellung

  • bei der Sinnfindung,
  • bei der Deutung des Lebens aus dem Glauben heraus,
  • die Kraft des Glaubens zu entdecken oder zu vertiefen (Glauben wird hier verstanden als ein Grundakt des Menschen, nämlich vertrauen zu können, sich einlassen zu können auf eine undurchschaubare Wirklichkeit, die weder zu berechnen noch zu kontrollieren ist.),
  • im Leid Gott zu entdecken,
  • konkrete Erfahrung des mitgehenden Gottes durch den mitgehenden Seelsorger zu machen.

Psychiatrieseelsorge möchte dem Gegenüber begegnen. Das bedeutet: sich auf den anderen wirklich einlassen, sich seinen Lebensäußerungen auszusetzen und ansprechbarer Partner in der Ohnmacht und im Leid zu sein.

4.2. Seelsorgerische und methodische Prinzipien

Sie Seelsorge geschieht ganzheitlich (verbal, nonverbal und handlungsorientiert) und ist auf das Gegenüber ausgerichtet. Je nach der Bedürfnislage der Patienten/Angehörigen/Mitarbeiter, der jeweiligen Situation und dem Kontext finden unterschiedliche Methoden und religiös- rituelle Praxisformen (gemeinsames Beten, Gottesdienst, Krankensalbung, Kommunion, Beichte o.ä.) ihre Anwendung.

4.3. Angebote

Zu den Kernaufgaben der Psychiatrieseelsorge gehören insbesondere Einzelgespräche, Gruppenangebote sowie Gottesdienste und die Spendung von Sakramenten. Sie sucht regelmäßig die Stationen/Wohnbereiche auf und begleitet einzelne Patientinnen und Patienten auf deren Wunsch auch längerfristig. Daneben werden Wallfahrten, Exkursionen und Ausflüge angeboten. Sie nimmt am Leben der Klinik teil, beteiligt sich auf Anfrage an Festen und Tagungen.

Sie bietet Fortbildungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ethischen Fragestellungen sowie zum Thema Sterben, Tod und Trauerarbeit an, gibt Hilfen bei der Trauerarbeit.

Eine weitere Aufgabe der Psychiatrieseelsorge ist die Gewinnung ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie qualifiziert und begleitet diese.

Schließlich führt die Psychiatrieseelsorge eine situations- und themenorientierte Öffentlichkeitsarbeit durch.

4.4. Kooperation und Vernetzung

Psychiatrieseelsorge ist auf Kooperation und Vernetzung angewiesen.         

  • Kooperation mit der Klinik und Heilpädagogischen Heim.

Die Psychiatrieseelsorge ist institutionell eigenständig. Um in diesen

Einrichtungen ihre Wirksamkeit entfalten zu können, ist sie auf eine gute Kooperation mit dem medizinischen, psychologischen, sozialen und pflegerischen Personal (Abteilungen und Stationen), mit den Mitarbeitervertretungen, der Verwaltung und den Betriebsleitungen angewiesen.

  • Kooperation im Bistum Aachen

Die Psychiatrieseelsorge ist ein pastorales Aufgabenfeld des Bistums Aachen und arbeitet mit den verschiedenen institutionellen Ebenen des Bistums zusammen. In der Stadt Düren, insbesondere in Nord – Düren und Birkesdorf leben viele ehemalige Patienten und Bewohner des HPH.

Darum ist die Kooperation mit den Pfarrgemeinden in der Nachbarschaft der Klinik sinnvoll und bedeutsam. Durch gemeinsame Veranstaltungen (z.B. Feier des Fronleichnamsfest, diverse Besuchergruppen), durch Gremienarbeit (z.B. Dekanatsrat, Pastoralkonferenz, Konveniat) und persönliche Kontakte zum pastoralen Personal und in die Pfarrgemeinden hinein werden Brücken gebaut und die Zusammenarbeit gelebt. Die Zusammenarbeit mit regionalen Strukturen (z.B. Regionalleitung, regionale Krankenhausseelsorge, Caritas) und Strukturen auf der Bistumsebene (Arbeitskreis Psychiatrieseelsorge, Konferenz der Krankenhausseelsorger) stützen und ergänzen diese Kooperationen im innerkirchlichen Bereich.

  • Kooperation mit der evangelischen Klinikseelsorge

Aufgrund eines gemeinsamen christlichen Grundverständnisses ist es ein Anliegen Ökumene zu gestalten. Diese wird konkret in der Kooperation mit der evangelischen Klinikseelsorge. Es findet ein fachlich- sachlicher Austausch statt und gemeinsam getragene und gestaltete Angebote (z.B. Gottesdienste, Meditationen und Gesprächskreise).

  • Kooperation und Vernetzung mit Partnern im psychiatrischen Feld

Im Dürener Umfeld sind dies z.B.: das Heilpädagogische Zentrum, das Psychoseminar, das Sozialpsychiatrische Zentrum, Kette e.V., IN VIA.

 

5. Organisatorische Voraussetzungen

5.1. Zeiten

Das Büro der Seelsorge ist am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag in der Zeit von 9.00 bis 13.00 Uhr geöffnet. Sprechzeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden nach Vereinbarung statt.

Die Psychiatrieseelsorge gewährleistet eine Erreichbarkeit in den kliniküblichen Kernzeiten. Darüber hinaus wird eine Erreichbarkeit in Notfällen sicher gestellt.

5.2. Räume

Die Rheinischen Kliniken stellen dem Personal der Seelsorge funktionsfähige Diensträume und tragen dafür die laufenden Betriebskosten (s. Vertrag zwischen dem Landschaftsverband Rheinland und dem Bistum Aachen).

Der Psychiatrieseelsorge steht die Klinikkirche dauerhaft zur Verfügung. Die Klinik trägt dafür die laufenden Kosten.

5.3. personelle Ausstattung

 Laut Einsatzplan „Pastorale Ämter und Dienste“ der Diözese Aachen (2000) stehen der Seelsorge insgesamt 3,1 Einsatzstellen für hauptamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger (Priester, Diakone, Pastoralreferentinnen/ Pastoralreferenten, Gemeindereferentinnen/Gemeindereferenten) zu.

Darüber hinaus gebt es noch eine Stelle (0,75 BU) für Sekretariat und Küsterdienst.

5.4 Aufgabenverteilung und Prinzipien der Arbeit

Die Aufgabenverteilung richtet sich aus am Konzept, am Bedarf und am zur Verfügung stehenden Seelsorgepersonal. Sie wird von der Leitung in Absprache, unter Berücksichtigung der berufsspezifischen und persönlichen Kompetenzen sowie Möglichkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, festgelegt. Ausgehend von der Gesamtkonzeption findet eine ziel- und ressourcenorientierte Arbeit statt, die begleitend im Dienstgespräch reflektiert wird.

Düren, den 1.12.2004