Als Abschluss spielt Domorganist Michael Hoppe das Stück Fantasia in g-Moll (BMV 542) von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750).
Jetzt hält Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Rede zum Gedenken an die Opfer der Hochwasserkatastrophe und spricht den Angehörigen sein Beileid und Mitgefühl aus: "Ihr Schmerz ist unser Schmerz."
Gleich spricht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Zuvor spielt Peter Protschka auf der Trompete das Stück „Ich bete an die Macht der Liebe“ von Dimitry Bortniansky (1751-1825).
In wenigen Minuten wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Ansprache halten. Doch zuvor singt Thilo Dahlmann: Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns in allem Leiden. Voll Wärme und Licht im Angesicht, sei nahe in schweren Zeiten, voll Wärme und Licht im Angesicht, sei nahe in schweren Zeiten (GL 452 EG 171).
Bevor die versammelte Gemeinde das „Vater Unser“ spricht, leitet Erzpriester Miron dies mit den folgenden Worten ein: „All unsere Bitten, das Gesagte und Ungesagte, das, was nicht ausgesprochen werden kann, all die Gedanken, zu denen uns die Worte fehlen, all das, was wir erhoffen, legen wir nun in das Gebet, das uns Jesus Christus selbst gelehrt hat.“
Als letztes trägt Renate Steffes aus Bad Neuenahr-Ahrweiler eine Fürbitte vor: „Wir bitten dich für die, die diese Katastrophen nicht überlebt haben. Weggerissen von Wasser und Schlamm. Unter Trümmern verschüttet. Beim Versuch, das eigene Leben oder das Leben anderer zu retten, getötet. Lass die Verstorbenen Ruhe finden bei dir. Birg sie in deinem Frieden. Und wir danken dir für alle Hilfe und Kraft, die wir in den vergangenen Wochen erlebt haben. Für die vielen, die einfach da waren. Die gerettet haben, was zu retten war. Die gearbeitet haben bis zur Erschöpfung. Sei bei ihnen und bei uns allen mit deinem Segen. Gib uns allen den Mut, neu anzufangen. Bewahre uns vor falschen Schuldzuweisungen. Zeig uns den Weg zurück ins Leben. Herr, erbarme dich.“
Als nächstes spricht Hans-Peter Bruckhoff, der den Blick öffnet auf die weiteren schwerwiegenden Ereignisse in Europa und weltweit: „Wir bitten dich für alle, die mit ihren eigenen Katastrophen kämpfen, Gott: Mit den Verwüstungen, die das Erdbeben in Haiti angerichtet hat. Mit dem, was die Waldbrände in Griechenland, in Italien und anderen Regionen Südeuropas zerstört haben. Mit noch ganz anderer Not und Verzweiflung, über die keiner berichtet. Und wir bitten dich für die Menschen in Afghanistan, die in Angst vor den neuen Machthabern sind und um ihr Leben fürchten, für die vielen, die so schnell wie möglich ihr Land verlassen wollen, und für die, die es schon geschafft haben – und die nun sehen müssen, wie es dort, wo man sie hingebracht hat, für sie weitergehen kann. Herr, erbarme dich.“
Den Fürbitten vorausgegangen war das Orgelstück „Ubi caritas“ von Maurice Duruflé (1902 – 1986). Jetzt treten nochmals die unmittelbar Betroffenen auf, um eine Fürbitte an Gott und die versammelte Gemeinde zu richten. Notfallseelsorgerin Rita Nagel beginnt: Wir bitten dich, Gott, für alle, die die Flut getroffen hat, und die leiden: Unter körperlichen Verletzungen. Unter schweren Belastungsstörungen. Lass heil werden, was verwundet ist. Gib immer wieder Kraft, mit den Eindrücken klarzukommen. Mit den Verlusten. Mit der Wucht und der Zerstörung. Mit der Angst und der Hilflosigkeit. Gib Geduld und Hoffnung, dass es weitergeht. Dass aus Behelfslösungen wieder Normalität wird. Lass uns neu vertrauen lernen, dass Mauern schützen und Wege nicht wegbrechen. Herr, erbarme dich.
Eingeleitet durch das Orgelstück „A Choral Amen“ von John Rutter tritt Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm vor den Altar. Landesbischof Bedford-Strohm betont in seiner Predigt, dass Gott auch mitten in den Fluten erfahrbar gewesen sei. „Aber nicht als der, der auf den Flutknopf gedrückt hat, sondern als der, der mit den Opfern geschrien hat, der mit ihnen gelitten hat, der sie getragen hat in den Abgründen, die sich aufgetan haben.“ Gott sei auch erfahrbar in Menschen, die geholfen hätten, Schutt wegzuräumen und Chaos zu beseitigen und mit ihren Kräften oft über ihre Grenzen hinausgegangen seien, und in den Seelsorgenden, die das Leid mit ausgehalten hätten. „Denen, die einen Menschen verloren haben, kann niemand mehr diesen lieben Menschen zurückbringen. Die Familienfotos, die alten Briefe, die weggespült worden sind, die Heimat, die damit verbunden ist, sind verloren. Wir bringen die Trauer und die Ohnmacht, die mit all den Verlusten verbunden sind, heute vor Gott“, so Bedford-Strohm. „Aber wir bringen an diesem Tag auch eine Hoffnung zum Ausdruck. Die Hoffnung, dass Gott Heilung schenken möge, dass Gott Neuanfang schenken möge. Für jeden Einzelnen. Und für unser ganzes Land. Für einen ganzen Landstrich in Europa. Dass das Leid der Menschen, an dem wir alle so großen Anteil nehmen, unser Land verändert. Dass wir alles dafür tun, damit Menschen in der Zukunft solches Leid erspart bleibt“, so Bedford-Strohm. Er selbst habe aber auch die Hoffnung, dass die Dramatik dessen, was passiert sei, die Abgründe an Leid, das Land zum Nachdenken gebracht und zu einem Neuanfang geführt haben. „Die Folgen des menschengemachten Klimawandels sind bei uns angekommen. Das haben wir verstanden“, so der EKD-Ratsvorsitzende. Ökumenischer Gottesdienst für die Opfer der Flutkatastrophe - Predigt Bischof Heinrich Bedford-Strohm
Nun tritt Bischof Dr. Georg Bätzing vor den Altar, um seine Predigt zu halten. Bischof Bätzing erinnert in seiner Predigt angesichts der Sprachlosigkeit über Tod und Zerstörung, die die Flutkatastrophe mit sich gebracht habe, an die Kraft des Gebets und der Psalmen: „Wenn es mir die Sprache verschlägt, dann vertraue ich mich ganz intuitiv bekannten Worten und Gebeten an, dem Vaterunser, dem Rosenkranz, einem Wort der Heiligen Schrift – und dabei oft den Psalmen. Mit den Psalmen beten heißt, Klartext reden, nichts beschönigen und dennoch hoffen“, so Bischof Bätzing. „Es werden noch etliche lange Nächte vergehen, die unruhig sein werden, geprägt von Angst und Sorge. Es braucht Zeit, bis Erfahrungen sacken, Verlust und Verletzungen verarbeitet werden können. Wunden, die in wenigen Stunden gerissen wurden, werden vernarben, hoffentlich auch heilen. Trauer um die verlorenen Menschen braucht Zeit, und es braucht unfassbar viel Kraft für Wiederaufbau und Neubeginn“, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Schon jetzt sei aber auch ein Schimmer der Hoffnung sichtbar: „Unendlich tröstlich sind Hände, die Halt geben; Hände, die Menschen aus ihren Häusern gerettet haben; Hände, die festhalten und umarmen, wenn Tränen fließen; Hände, die zupacken, Schutt und Dreck wegräumen, persönliche Kostbarkeiten bergen; Hände und freundliche Gesichter, die Essen verteilen, neue Infrastruktur schaffen, Kindern Ferien und Freizeit ermöglichen. Unzählige Ehrenamtliche, Fachkräfte, Seelsorgerinnen und Seelsorger sind seit Wochen im Einsatz. Vergelt’s Gott Ihnen allen für diesen großartigen Dienst“, so Bischof Bätzing. Ökumenischer Gottesdienst für die Opfer der Flutkatastrophe - Predigt Bischof Georg Bätzing
Schauspielerin Anette Schmidt liest aus dem Lukasevangelium, Kapitel 24, Vers 35 bis 42.
Auf die Worte von Superintendent Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff antwortet Thilo Dahlmann mit einer weiteren Lamentation und einem Kyrie von Klaus Wallrath: „So werfe ich meine Tränen in den Himmel, meine Wut schleudere ich dir vor die Füße. Hörst du mein Klagen, mein verzweifeltes Stammeln, ist das auch ein Beten, ein Beten in deinen Augen.“
Als dritter Zeuge der Hochwasserkatastrophe spricht mit Superintendent Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff nicht nur ein Vertreter der evangelischen Kirche, sondern auch ein unmittelbar Betroffener. Gemeinsam mit seiner Frau hat er die Flut an seinem Wohnort in Schleiden-Gemünd hautnah miterlebt. Während seines Berichts hält er eine Kerze in der Hand, die eine besondere Verbindung zum Bistum Aachen aufweist. „Diese Kerze hat Bischof Dieser vier Kirchenkreisen zum Reformationsjubiläum 2017 geschenkt. Inzwischen hat sie einen Ehrenplatz bei uns im Pfarrhaus, in Gemünd das direkt neben der Urft liegt. In jener Nacht vom 14. auf den 15. Juli konnten meine Frau und ich uns getrennt durch die Flut nicht erreichen, nicht miteinander telefonieren und wussten nicht, wie es dem anderen geht, denn ich war in dieser Nacht in einem anderen Ort. Meine Frau war allein zu Hause und schlief, als sie durch den Rauchmelder geweckt wurde. Da stand das Wasser schon im Erdgeschoss. Der Strom fiel aus und meine Frau stand knietief im Dunkeln im steigenden Wasser, als es heftig an der Pfarrtür klopfte. Der Fluss war zu einer die Straße übersteigenden Flut geworden. Einer unserer Nachbarn hatte sich mit einem Sprung von der Straße an die Pfarrtür gerettet. Meine Frau ließ ihn hinein und beide beobachteten auf der Treppe zum 1.Stock die steigende Flut. Nirgends mehr Strom. Diese Kerze war das einzige Licht, das auf die Schnelle zu greifen war. Ihr Schein und die Worte auf der Kerze haben ein Stück Wärme und Licht in diese Dunkelheit gebracht. In den Versen auf der Kerze aus dem 2. Korinther 4 ist von dem Dienst der Versöhnung die Rede, zu dem uns die Liebe Christi drängt. Meine Frau und ich haben uns am nächsten Tag in die Arme schließen können, und unser Nachbar hat Zuflucht gefunden im Pfarrhaus und beim Licht dieser Kerze. Andere haben in jener Nacht einen lieben Menschen verloren. Viele ihr Zuhause mit allem, was das bedeutet. Wir brauchen einander in dieser schweren Zeit. ...
Auf das Statement der Notfallseelsorgerin antwortet Iman Mücahid Yediyildiz mit einer gesungenen muslimischen Klagerezitation. Im Vorfeld hatte Rita Nagel betont, dass die Anwesenheit eines Imans ungeheuer wichtig sei; denn auch viele Muslime hätten durch die Flutkatastrophe oftmals ihre Existenz verloren. „Und wir werden euch ganz gewiss mit ein wenig Furcht und Hunger und Mangel an Besitz, Seelen und Früchten prüfen. Doch verkünde frohe Botschaft den Geduldigen“ (Sure 2:155). „Ihr werdet die Güte nicht erreichen, bevor ihr nicht von dem ausgebt, was euch lieb ist. Und was immer ihr ausgebt, so weiß Gott darüber Bescheid“ (Sure 3:92). „Jede Seele wird den Tod kosten. Und Wir prüfen euch mit Schlechtem und Gutem als Versuchung. Und zu Uns werdet ihr zurückgebracht“ (Sure 21:35).
Als zweite Person gibt Notfallseelsorgerin Rita Nagel ein Statement ab. Dies hat sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Frank Ertel verfasst. Beide haben in den Tagen der Hochwasserkatastrophe in der Einsatzleitung der Städteregion Aachen die Einsätze für insgesamt 117 ihrer Kolleginnen und Kollegen in Stolberg und Eschweiler organisiert. Um möglichst viele Menschen in den betroffenen Regionen erreichen zu können, sind zum Teil 2er-Teams durch die Straßen der von der Flut geschädigten Städte und Dörfer gegangen. „Dies umfasste ganz kurze Kontakte, aber auch längere Gespräche“, so Rita Nagel. Innerhalb von 30 Tagen kamen die Einsatzkräfte so auf rund 2500 Seelsorgestunden. Jetzt, rund 6 Wochen nach der Flut, ist die Akutphase vorbei und der Prozess weiterentwickelt worden. Folge: In den kommenden Wochen werden in Eschweiler und Stollberg jeweils eine neue Beratungsstelle für Menschen mit traumatologischen Belastungen entstehen. „Ausschlaggebend für unsere Arbeit war, was die Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger vor Ort tun und was wir konkret für die Menschen bewirken konnten. Das war entscheidend für die Formulierung unseres Textes.“ Und so spricht Rita Nagel folgende Worte: „Wir Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger haben – Geteilt, Gesprochen, Geschwiegen, Getrauert. Und die Gegenwart gespürt. Wir haben mit den Menschen diese menschlich katastrophale Situation geteilt, damit sie spüren, auch ihre Seele ist nicht allein. Es gibt ein Mitgehen auch in den Gefühlen. Wir haben gesprochen, wo Menschen nach Worten gesucht haben und ihre Sehnsucht, dass es wieder schön werden soll ausgedrückt haben. Wir haben geschwiegen, wo das Leid uns überwältigt hat und wir keine Worte mehr gefunden haben, weil es unsagbar war. Wir haben getrauert, um die Menschen, die gestorben sind und um das Leben, dass mit den Müllbergen weggeworfen wurde und neu gefunden werden will.“
Adrian Flohr, Gemeinderatsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf, antwortet auf diese eindrückliche Schilderung mit einer Klagerezitation: „Herr, strafe mich nicht mit deinem Zorn und züchtige mich nicht mit deinem Grimm! Sei mir gnädig, Herr, ich sieche dahin; heile mich, Herr, deine meine Glieder zerfallen! Meine Seele ist tief verstört. Du aber, Herr, wie lange säumst du noch? Herr, wende dich mir zu und erette mich, in deiner Huld bring mir Hilfe! Denn bei den Toten denkt niemand mehr an dich. Wer wird dich in der Unterwelt noch preisen? Ich bin erschöpft vom Seufzen, jede Nacht benetzen Ströme von Tränen mein Bett, ich überschwemme mein Lager mit Tränen. Mein Auge ist getrübt vor Kummer, ich bin gealtert wegen all meiner Gegner. Weicht zurück von mir, all ihr Frevler; denn der Herr hat mein lautes Weinen gehört. Gehört hat der Herr mein Flehen, der Herr nimmt mein Beten an.“
Im Mittelpunkt des Gedenkgottesdienstes stehen die Betroffenen. Ihnen gilt es zuzuhören und Trost zu spenden. Eine der Menschen, die ein Zeugnis ihrer schrecklichen Erfahrungen des Juli-Hochwassers ablegen, ist Renate Steffes aus Bad Neuenahr-Ahrweiler: „Es gibt kaum Worte, die annähernd beschreiben können, wie sich die Erlebnisse der Nacht vom 14. auf den 15. Juli für mich anfühlen. Mein Leben mit all seinen guten und schlechten Erfahrungen wurde in dieser einen Nacht in Ahrweiler durch eine wesentlich schrecklichere Erfahrung erschüttert: Mit den eigenen Füßen in den Fluten zu stehen, vermeintlich gerettet zu sein und dann in dem steigenden Wasser doch noch Todesängste zu erleben – Todesängste! Diese Nacht soll eigentlich für mich abgelegt sein - in einer verschlossenen Schublade. Fest verschlossen. Zu! Doch die Schublade mit den belastenden Erfahrungen öffnet sich täglich neu. Überlebt ja, aber zu welchem Preis! Die Verluste werden Tag für Tag deutlicher: Briefe, Fotos, Videos meiner Kinder, Erinnerungsstücke von Reisen ins Heilige Land. - Alles weg! Neu hinzugekommen sind Ängste: Tage nach der Flut zum ersten Mal Regen - überall Matsch - die Füße rutschen weg - da ist sie wieder - die Angst, in den Fluten unterzugehen. Und dann noch die Angst so vieler Betroffener vor dem Vergessenwerden. Denn gut ist noch lange nichts. Nach über sieben Wochen gibt es noch Berge von Müll, verschmutzte Straßen, Gestank, kein frisches Leitungswasser, unzureichende Gas- und Energieversorgung. Der Herbst, der Winter, die Kälte! Sie werden kommen.“
Für den Gedenkgottesdienst ist die Musik speziell entwickelt worden. Nach einem kurzen Orgelvorspiel folgt nun mit „Noch ehe die Sonne am Himmel stand“ ein Arrangement des Komponisten Klaus Wallrath. Thilo Dahlmann trägt, von Chor und Orgel an manchen Stellen begleitet, vor: „Noch ehe die Sonne am Himmel stand, die Nacht ein Ende fand, noch ehe sich ein Berg erhob, zu scheiden Meer und Land, bist du Gott, unser Gott, die Zuflucht für und für. Dir leben wir, dir sterben wir. Wir gehen von dir zu dir.“ Und weiter: „Der du unsre Zeit in den Händen hältst, sei gnädig, gib die Kraft, der Todesnot zu widerstehn, die Menschenhochmut schafft. Du bist Gott, unser Gott, die Zuflucht für und für. Dir leben wir, dir sterben wir ? wir gehen von dir zu dir. Der du deine Kinder sterben lässt, gib Weisheit, unsre Zeit in Lob und Klage zu bestehn, und sei im Tod nicht weit. Du bist Gott, unser Gott, die Zuflucht für und für. Dir leben wir, dir sterben wir. Wir gehen von dir zu dir. Dir leben wir, dir sterben wir. Wir gehen von dir zu dir.“
Der Trierer Priester Stephan Wahl hat den Ahr-Psalm einen Tag nach der Hochwasserkatastrophe geschrieben und auf eine beeindruckend emotionale Weise versucht, die zerstörerische Kraft des Wassers in Worte zu fassen. „Der Bach, den ich von Kind an liebte, sein plätscherndes Rauschen war wie Musik, zum todbringenden Ungeheuer wurde er, seine gefräßigen Fluten verschlangen ohne Erbarmen.“ In diesen Tagen wurden Existenzen zerstört und Menschenleben vernichtet: „Alles wurde mir genommen. Alles! Weggespült das, was ich mein Leben nannte. Mir blieb nur das Hemd nasskalt am Körper, ohne Schuhe kauerte ich auf dem Dach. Stundenlang schrie ich um Hilfe, um mich herum die reißenden Wasser.“ Und dann stellt Stephan Wahl auch die Frage nach dem Warum und der Allmacht Gottes – Warum hat Gott dies zugelassen und hätte er es nicht verhindern können? „Wo warst du Gott, Ewiger, hast du uns endgültig verlassen? Du bist doch allmächtig, dein Fingerschnippen hätte genügt.“ Trotz der Verzweiflung in seinen Worten schließt der Ahr-Psalm auf einer hoffnungsvollen Note: „Auch wenn du mir rätselhaft bist, Gott, noch unbegreiflicher jetzt, unendlich fern, so will ich dennoch glauben an dich, widerständig, trotzig, egal, was dagegen spricht. Sollen die Spötter mich zynisch belächeln, ich will hoffen auf deine Nähe an meiner Seite.“ Die Aachener Schauspielerin Anette Schmidt trägt eine gekürzte Version des Psalms vor. Ahr-Psalm von Stephan Wahl
Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm adressiert an diesem Morgen nicht nur die Opfer der Flutkatastrophe, denn in der Zwischenzeit haben sich auch in anderen Teilen der Welt schreckliche Dinge ereignet. „Die Not ist groß in unserer Welt. Wir hören Nachrichten vom Erdbeben auf Haiti, von den lodernden Feuern in Südeuropa sowie der politischen und humanitären Tragödie in Afghanistan. Jetzt übernimmt Bischof Dr. Georg Bätzing: „Mitte Juli hat eine Flutkatastrophe vor allem den Westen unseres Landes, aber auch Teile der Niederlande und Belgiens schwer erschüttert. Die Bilder der reißenden Hochwasserströme an der Ahr und anderswo stehen uns noch vor Augen. Im Gedenken an die Opfer der Flutkatastrophe feiern wir diesen Gottesdienst im Hohen Dom zu Aachen. Doch auch die Betroffenen an anderen Orten auf der Welt sollen nicht vergessen sein. „In den letzten Wochen haben andere Nöte die Flutkatastrophe aus den Schlagzeilen verdrängt. Wir schließen die Betroffenen ein in unsere Gebete. Heute jedoch wollen wir mit unserer Aufmerksamkeit und Anteilnahme bei den Menschen sein, die durch die Fluten großes Leid erfahren haben“, so Bedford-Strohm. Nun ergreift auch Erzpriester Constantin Miron das Wort und gedenkt der mehr als 180 Toten. „In der Flutkatastrophe haben geliebte Menschen ihr Leben verloren. Manche werden immer noch vermisst. Die Unsicherheit raubt den Schlaf. Was blieb sind Trümmerlandschaften. Innerhalb von Stunden war nichts mehr, wie es einmal war. Mühsam aufgebaute Existenzen wurden dem Erdboden gleich gemacht, Häuser zerstört und unbewohnbar, Familien auseinandergerissen. Überall Schlamm und Schmutz, wochenlang kein Wasser und kein Strom. All diese Ohnmacht, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit bringen wir vor Gott. Wir sind zugleich dankbar für die Solidarität, die die Betroffenen erhalten haben. Helfende Hände, aufmunterndes Lächeln, Anpacken, wo es nötig ist. Alles lebendige Hoffnungszeichen! Auch unsere Dankbarkeit bringen wir vor Gott. ...
Nun beginnt der Gottesdienst mit dem Gebet eines Psalms, der nach der Flutkatastrophe getextet wurde. Thilo Dahlmann wird ihn „a capella“ singen: „Schreien will ich zu dir, Gott, mit verwundeter Seele, mit verwundeter Seele. Schreien! Schreien! Schreien! Wo warst du, Gott? Wo warst du, Gott? Wo warst du, wo warst du, Gott, Ewiger? Wo warst du, wo warst du? Hast du uns endgültig verlassen, endgültig endgültiger verlassen? Kyrie eleison. Kyrie eleison. Kyrie, Kyrie eleison.“ Währenddessen ziehen die Hauptliturgen in Richtung Altar. Dies sind Bischof Dr. Georg Bätzing (Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz), Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm (Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Erzpriester Radu Constantin Miron (Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland).
Während die Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, Beate Gilles, und Thies Gundlach, Leitung des Kirchenamtes der EKD, die Gäste im Dom begrüßen, hat nun das Glockengeläut eingesetzt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft ein.
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender sind vor dem Dom eingetroffen.
Um den Opfern der Flutkatastrophe zu gedenken, nehmen heute viele Gäste am Gottesdienst im Hohen Dom zu Aachen teil; darunter auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.
Vor allem das Ahr-Tal wurde von der Hochwasserkatastrophe stark getroffen. Aus diesem Grund ist mit Malu Dreyer auch die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz in Aachen zu Gast.
Gerade ist mit Armin Laschet der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen eingetroffen und begrüßt Dompropst Rolf-Peter Cremer vor dem Eingangsportal des Doms.
Auch die Einsatzkräfte der Malteser, vom Technischen Hilfswerk und der Feuerwehr sind bereits im Dom angekommen. Auch sie haben in den vergangenen Wochen herausragende Arbeit bei den Aufräumarbeiten in den Hochwassergebieten geleistet.
Der Gedenkgottesdienst für die Opfer der Flutkatastrophe steht im Spannungsfeld zwischen Klage und Hoffnung. „Und beides hat seine Wichtigkeit“, so Notfallseelsorgerin Rita Nagel, die in den Tagen nach dem Hochwasser nah dran war am Geschehen. Und so sind bestimmte Klage-Elemente in Musik gefasst worden. Mit einem solchen Klageruf beginnt auch der Gottesdienst und es wird eine Brücke gebaut über Testimonials, über Fürbitten bis hin zu einem Kyrie-Ruf, den der Chor dann formuliert, um in ein Evangelium zu leiten. Die Klagerezitationen (christlich, jüdisch und muslimisch) und Lamentationen übernehmen Adrian Flohr (Gemeinderatsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf), Imam Mücahid Yediyildiz,(Türkischer Integrations- und Bildungsverein in Setterich) und Thilo Dahlmann. Um die Klage-Rezitationen musikalisch umzusetzen, konnte Klaus Wallrath gewonnen werden. „Insgesamt wirkt die Musik für mich, die gespielt und gesungen wird, wie aus einem Guss, weil sie fast komplett aus einer Feder kommt“, so Domkapellmeister Berthold Botzet. Als emotionaler Höhepunkt gilt der so genannte Ahr-Psalm, den der Trierer Priester Stephan Wahl relativ spontan einen Tag nach der Flut geschrieben hat. Er selbst stammt aus dem Gebiet an der Ahr. „Und dieser Text ist so unendlich ausdrucksstark und so stark emotional behaftet. Er wird jetzt auch noch im Gottesdienst mit Orgelklängen untermalt, die auch vielleicht noch die Emotion und Ausdrucksstärke dieser Worte unterstreichen können.
Auch Generalvikar Dr. Andreas Frick wartet auf den Beginn des Gedenkgottesdienstes um 10 Uhr.
Bischof Dr. Helmut Dieser und Dompropst Rolf-Peter Cremer haben sich vor dem Dom eingefunden, um die eintreffenden Gäste zu begrüßen. Mittlerweile hat auch der Regen aufgehört.
In den vergangenen Wochen hat sich eine ökumenisch besetzte Gruppe intensiv mit der Vorbereitung der Liturgie befasst. „Alle Beteiligten sind mit einer hohen Sensibilität an die Aufgabe herangegangen. Wir hoffen und tun alles dafür, dass der Gottesdienst Betroffenen eine geistliche Hilfe sein kann“, so Tim Lindfeld, Referent für Ökumene und interreligiösen Dialog im Bistum Aachen. Innerhalb der Liturgie nimmt auch die Musik einen wichtigen Platz ein, um das Ausmaß der Katastrophe angemessen ausdrücken zu können. Mehr als ein Fünftel des Gottesdienstes wird musikalisch gestaltet sein. „Anhand von Texten, Gebeten, Statements und Situationsberichten entwickelte sich im Gespräch der vorbereitenden Gruppe eine Atmosphäre und diese Atmosphäre habe ich versucht aufzunehmen und entsprechend mit Musik umzusetzen“, so Domkapellmeister Berthold Botzet, der am heutigen Tag die musikalische Leitung inne hat. Damit dies gelingen kann, sind noch viele weitere Personen beteiligt. Dies sind: Michael Hoppe (Domorganist), Marco Fühner (Domkantor) und Peter Protschka (Trompete). Darüber hinaus sind 26 Sänger aus dem Bereich der Chöre und der Dommusik beteiligt, die stellvertretend für die Gemeinde agieren. Für den Gedenkgottesdienst ist die Musik zum Teil komplett neu entstanden. „Es war mir ganz wichtig, dass wir nicht nur auf Musik zurückgreifen, die schon existiert, sondern es war eine große Herausforderung zu überlegen, können wir nicht speziell für diesen Gottesdienst Musik entwickeln, mit Textteilen aus bestimmten Texten, die schon im Vortrag gehört wurden oder die man auch vorweg nehmen kann“, so Domkapellmeister Botzet.
Domkapellmeister Berthold Botzet ist knapp eine Stunde vor Beginn des Gottesdienstes ein gefragter Gesprächspartener für die teilnehmenden Medienvertreterinnen und Medienvertreter. Er spricht darüber, wie sehr ihn die Klageverse bereits während der Probephase berührt haben. "Es ist wichtig, den richtigen Ton zu treffen, um zu berühren", so Botzet.
Noch sind die hochrangigen Gäste nicht in Aachen angekommen. Die akkreditierten Journalisten warten allerdings bereits zahlreich vor dem Bischöflichen Generalvikariat auf deren Ankunft. Neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier werden Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesratspräsident Reiner Haseloff, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth sowie die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, und der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, am Gedenkgottesdienst teilnehmen.
In der Zwischenzeit ist mit Bischof Dr. Georg Bätzing einer der Hauptzelebranten des heutigen Gottesdienstes in Aachen angekommen. Unter dem Vordach der Dominformation sucht der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Schutz vor dem einsetzenden Regen.
Die Aachener Schauspielerin Anette Schmidt wird im Gedenkgottesdienst den so genannten Ahr-Psalm vortragen, den der Trierer Priester Stephan Wahl unmittelbar nach der Hochwasserkatastrophe verfasst hat. Knapp eine Stunde vor dem Beginn findet die Schauspielerin noch die Zeit, sich vor der Dominformation in den Text zu vertiefen.
Guten Morgen, heute steht der Hohe Dom zu Aachen ganz im Zeichen des Gedenkens an die Opfer der Flutkatastrophe. Auch sind Betroffene mit konkreten Verlusterfahrungen, Helfer, Retter und Engagierte eingeladen. Bundesweit wehen die Fahnen auf Halbmast. Um den mehr als 180 Opfern der Flutkatastrophe zu gedenken, laden die Evangelische Kirche Deutschlands, die Deutsche Bischofskonferenz und die in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen zusammengeschlossenen Kirchen zu einem ökumenischen Gottesdienst ein, in dessen Anschluss Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Ansprache halten wird. Aachen, so die Begründung der Einladenden, stehe für eine zentrale Lage in Europa und biete deshalb die Möglichkeit, auch der Opfer in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg zu gedenken. Zwischen dem 14. und 16. Juli hat das Hochwasser in Teilen von NRW und Rheinland-Pfalz unfassbare Schäden angerichtet und dabei Existenzen vernichtet. Das Bistum Aachen hat in den Tagen nach der Katastrophe schnell reagiert und einen Solidaritätsfonds eingerichtet. Inzwischen sind mehr als 400.000 Euro gespendet worden. Zusätzlich stellt das Bistum Aachen selbst zehn Millionen Euro in einem Nothilfefonds zur Verfügung. Dieser Fonds soll in den kommenden Monaten eingesetzt werden, wenn auch die Ausmaße der Schäden an den kirchlichen Einrichtungen beziffert werden können. Dazu zählen Kindergärten, Schulen und Kirchen sowie alle Einrichtungen, die notwendig sind, um die Begegnung im Gemeindeleben zu ermöglichen.