Am Sonntag feiert die Kirche Christkönig - zum 99. Mal. Nächstes Jahr wird das Fest 100 Jahre alt, eingeführt von Papst Pius XI. im heiligen Jahr 1925, und auf der Kirchenjahrs-Karriereleiter als Hochfest direkt ganz oben gelandet. Erstmals gefeiert wurde es am 31. Dezember 1925, bis zur Reform des liturgischen Kalenders nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil dann jeweils am letzten Oktobersonntag, seitdem als letzter Sonntag des Kirchenjahrs Ende November.
Es ist ein Fest, das ein wenig Goldglanz in den dunklen Monat scheinen lässt, und doch ein zweischneidiges Erbe - wurde es doch wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg und nach dem Untergang der Monarchien, die den Kontinent Europa bis dahin geprägt hatten, als Mittel im Kampf gegen den Laizismus installiert. Laizismus und Religionsfreiheit galten Pius XI. als “Pest unserer Zeit”, gegen die das Christkönigfest als Ideenfest zur Unterweisung der Gläubigen ein “wirksames Heilmittel” werden sollte, so drückte er es in der Enzyklika “Quas primas” aus. Der Christus, der in “Quas primas” gezeichnet wird, fasst Jesus ausschließlich als Patriarchen, der männliche Macht in der Kirche legitimiert und nach Willen des Papstes auch männliche Macht außerhalb der Kirche wieder durchprägen sollte - fast überflüssig scheint es, zu erwähnen, dass auch die trinitarischen Aussagen ausschließlich männlich gegendert werden.
Nicht ganz einig scheint sich der Papst dabei in der Einschätzung, ob “das Volk” nun ob der verderblichen Einflüsse von Laizismus und Religionsfreiheit “dem Abgrunde zutreib[e]” oder ob aus diesem Volk selbst der dringende, durch die Herz-Jesu-Verehrung verstärkte Wunsch käme, Christus “wie einen Sieger durch die Straßen der Städte zu geleiten und in seine königlichen Rechte wieder einzusetzen”.
In jedem Fall sollte das Fest Jesus Christus, der sich laut Pius XI. “bei jeder Gelegenheit den Namen König beilegte”, als absoluten Monarch nicht nur seiner Kirche, sondern auch der Welt und des Universums in Erinnerung rufen, und es sollte den “öffentlichen Abfall” rückgängig machen helfen, den Laizismus und Religionsfreiheit bedeuteten und die dem damaligen Papst als ursächlich für den Ersten Weltkrieg galten.
Für demokratiegewöhnte Ohren und nachdem die Religionsfreiheit uns in der Regel nicht mehr als Pest gilt, sondern als Errungenschaft, auf die sich auch Christ*innen in unseren westlichen Demokratien berufen können, ist das keine leichte Kost, und man übergeht diese Ursprünge des Festes darum häufig. Für Frauen kommt hinzu, dass sie in Deutschland wie auch in Österreich erst mit dem Ende der Monarchie das Wahlrecht erlangten, auch das macht den Ursprung des Festes mit seiner unverhohlenen Demokratieverachtung schwer erträglich.
Und doch ist die Geschichte selten nur ganz schwarz oder weiß. Die Idee des Reiches nahm nach dem Untergang des Kaiserreichs in unterschiedlichsten Gegenwarts- und Zukunftshoffnungen Wohnung, unter anderem wurde es auch durch die Feier des Christkönigfestes zum Identifikationspunkt für die katholischen Kinder- und Jugendverbände, insbesondere der Sturmschar. Das Chi-Rho-Zeichen wurde ihnen zum Erkennungszeichen der katholischen Jugend und blieb für viele ein Identitätsmarker, der ihnen half, sich der Gleichschaltung der Nationalsozialisten zu entziehen. Denn so wie das Christkönigfest gegen den Laizismus angetreten war, so wurde es dann im faschistischen Staat und im faschistisch besetzten Europa zum wirksamen Mittel, dem Führerkult nicht zu erliegen.
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft musste das Fest sich in der jungen Bundesrepublik gleichsam neu erfinden. Nach dem Konzil wurde es auch von seiner textlichen Ausstattung her mehr auf die Idee der eschatologischen Herrschaft Christi hin ausgerichtet.
Heute droht unserer Demokratie Gefahr. Weltweit, auch in Europa und absehbar auch in Deutschland erstarken rechtsextreme, nationalistische und demokratiefeindliche Kräfte. Nicht hilfreich ist in diesem Zusammenhang die in kirchenpolitischen Debatten so verbreitete wie akzeptierte Demokratieabwertung, die betont, dass die Kirche ja keine Demokratie sei - als sei der demokratische Staat heute ein Gegner wie zur Zeit der religiösen Verfolgungen im römischen Reich. Mittlerweile hat die Kirchenleitung sich still von der Einschätzung verabschiedet, in der Demokratie außerhalb der Kirche einen zu bekämpfenden Gegner zu sehen. Die selbstverständliche Ablehnung der Idee einer innerkirchlichen Demokratie konterkariert die behauptete Demokratiewertschätzung leider, und die Feier des Christkönigfestes bleibt vor diesem Hintergrund auch wegen seiner legitimierenden Wirkung innerkirchlicher Monarchie zwiespältig.
Das Christkönigfest ist ein junges Fest, und es war ein kirchenpolitisches Zeichen. Heute bräuchten wir ein ähnliches Zeichen für die Demokratie, für die Freiheit, in der wir leben dürfen. Wie wäre es mit einem “Fest der Freiheit der Kinder Gottes”?