"Aber zu euch, die ihr zuhört, sage ich:
Liebet, die euch feindlich gegenüberstehen, und tut Gutes denen, die euch hassen. Heißt die willkommen, die euch fluchen, und betet für die, die euch schlecht behandeln.
Wenn dich jemand auf die eine Wange schlägt, halte auch die andere Wange hin, und wenn jemand dein Obergewand wegnimmt, kämpfe nicht für das Untergewand. Gib allen, die dich bitten, und fordere von denen, die von dir nehmen, nichts zurück.
Wie ihr wollt, dass euch die Leute tun, so sollt auch ihr ihnen tun. Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben – welchen Dank erhaltet ihr dann? Denn auch diejenigen, die Unrecht tun, lieben die, die sie lieben. Wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes getan haben, welchen Dank erwerbt ihr euch? Diejenigen, die Unrecht tun, verhalten sich auch so. Und wenn ihr denen ausleiht, von denen ihr hofft, zu erhalten, welchen Dank erhaltet ihr? Auch diejenigen, die in Unrecht verstrickt sind, leihen ihresgleichen, damit sie gleichermaßen auch erhalten.
Jedoch: Liebet eure Feinde und Feindinnen, tut Gutes und leiht aus, ohne etwas zu erhoffen! Dann wird eure Vergütung groß sein, und ihr werdet Söhne und Töchter des Höchsten, denn auch Gott wendet sich gütig den Ungütigen und Bösen zu. Habt Mitleid, wie auch Gott mit euch leidet. Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Verurteilt nicht, damit ihr nicht verurteilt werdet. Sprecht frei und ihr werdet freigesprochen! Gebt und Gott wird euch geben. Was dann in euren Schoß fallen wird, ist wie ein gutes Maß Getreide, voll gedrückt, gerüttelt, überfließend! Denn mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird Gott euch im Gegenzug abmessen."
(Evangelium nach Lukas, Kapitel 6, Verse 27-38)
Da kommt was auf uns zu!
Ich lese es männlich, Rhetorik eines heranziehenden Krieges:
Truppen werden aufgestellt
Und an den Grenzen zusammengezogen
Drohungen in Form von Panzern und Munitionen
Stärke wird demonstriert, Machtstrippen gezogen,
Harte Sanktionen angedroht.
Es fließt Geld und man denkt über wirtschaftliche Einbußen nach.
Natürlich geht es um wertvolle Rohstoffe
Und jahrhundertelang gekränkte Ehre.
Ich lese das männlich. Doch auch Frauen reden so. Die Logik greift.
Man wolle reden, sagen die Diplomaten. Die Regierenden setzen sich auseinander, buchstäblich sechs Meter am Weißen Tisch. Symbolisch. Ein Krieg sei noch nicht beschlossen.
Ich lese biblisch:
Liebt eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen!
...wenn dir jemand das Deine wegnimmt, verlang es nicht zurück.
Ihr sollt eure Feinde lieben und Gutes tun und leihen,
wo ihr nichts zurück erhoffen könnt.
Biblisch ist auch männlich.
Zusammen passt das nicht.
Wenn die eine Seite verzichtet, gewinnt die andere.
Und sollte sie die böse sein, wird sich die Spirale weiterdrehen und die Schlinge immer mehr zu.
Zur Kriegsführung taugen die Worte Jesu wohl nicht. Sie stehen ganz außerhalb der Logik von Größer! Stärker! Mächtiger!
Und auch nach weiblicher Lesart irritiert das Wort der Schrift. Zu unterwürfig klingt der Auftrag, nicht nach Stärkung und Rückgrat und Für- etwas-einstehen. Der gegenderte Perspektivwechsel führt hier nicht weiter.
Wieder und wieder gelesen… „Liebt eure Feinde“. Das irritiert.
Es irritiert, weil es die Bedingungen außer Acht lässt, die Sozialisierung, die männlichen und weiblichen Codierungen, die Bindungen; es vergisst das „Wehr dich doch mal“ und auch das „Wie du mir so ich dir“. Liebt eure Feinde… das verlässt die geschichtliche Dimension, verliert die Zuschreibung des „The winner is...!“.
Doch halt! Jesus spricht von Gewinn. Von Lohn, von maßlos übervollem. Aber nicht in bekannter Währung.
Genau.
Das hält die Irritation. Nicht geht es um Krieg und Frieden, noch um Lesarten und Bezugsfelder.
Im Mittelpunkt steht allein das: Dein Gegenüber ist wie du!
Geliebtes Kind Gottes.
Seid barmherzig.
// Michaela Labudda