Selig sind die Armen, denen sogar das Gottvertrauen genommen wurde, denn ihnen gehört Gottes Welt.
Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.
Selig sind die, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden satt werden.
Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erfahren.
Selig sind die, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott sehen.
Selig sind die, die für den Frieden arbeiten, denn sie werden Töchter und Söhne Gottes heißen.
Selig sind die, die verfolgt werden, weil sie die Gerechtigkeit lieben, denn ihnen gehört Gottes Welt.
Selig seid ihr, wenn sie euch um meinetwillen beschgimpfen, verfolgen und böse Lügen über euch verbreiten. Freut euch und singt laut, weil euer Lohn bei Gott groß ist. Die Prophetinnen und Propheten vor euch sind genauso verfolgt worden.
(Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5, Verse 1-12)
Das zentrale griechische Wort in den Seligpreisungen ist das Wort „makarios“, wir übersetzen es mit „selig“. Aber eigentlich ist das viel zu schwach. Es meint umfassende Seligkeit, Gottesfülle; es gehört als Wort zur Vorstellung vom Reich Gottes, in dem alles Leben seine Erfüllung findet. Ein Makarios ist jemand, der von Gott auf ewige Zeiten zufrieden gestellt ist, unabhängig von den äußeren Umständen. Das griechische Wort korrespondiert mit dem alttestamentlichen „aschre“ und bezeichnet von Gott in die Gemeinschaft aufgenommene Gesegnete. Die Seligpreisungen greifen dies auf, und richten den Blick auf Personengruppen, deren Lebensumstände weit weg zu sein scheinen von der Lebensfülle Gottes. Dabei handelt es sich nicht um jenseitige Vertröstung, sondern fokussiert den Anspruch der Fürsorge Gottes und ist insofern auch politisch. Makarismus bezeichnet auch eine literarische Gattung, die sich als prophetischer Makarismus sozialkritisch ausgestaltet.
Interessanterweise wird das Wort makarizo außer in den Seligpreisungen nur noch in Lukas 1 genutzt, in der Szene, in der Maria sich über ihre Schwangerschaft freut. Hier bezieht sie es auf sich selbst (Lk 1,48 „von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“).
Ich kann selig also im Sinne eines ungläubigen Erstaunens interpretieren: in mir steckt ein göttlicher Kern, der wachsen und geboren werden wird. Nicht durch mein Zutun, sondern als spürbar wunderbare Verheißung. Es ist mehr als die Verheißung einer normalen Schwangerschaft, aber die Gefühle einem ersehnten ungeboren Kind gegenüber mögen ähnliche sein: Da ist etwas, was zu mir aber nicht mir gehört. Zugleich bezieht sich die Seligkeit eben auf das Ungeborene in Maria. Eine Verheißung, ein Wunder, eine Hoffnung auf Fülle und Gottesnähe für alle. Marias Schwangerschaft zeigt auf: Gottes Seligkeit ist grenzenlos.
Erstaunlich aktuell und umfassend sind die Seligpreisungen in ihrer Anwendung, immer noch fällt es leicht, zu jeder einzelnen Seligpreisung Menschen zu assoziieren. Auch ihnen sollte heute spürbar werden, dass sie Göttliche Erfüllung verdient hätten: die Kinder im Mittelmeer, die Frauen in Afghanistan, denen nicht nur das Recht auf Bildung eingeschränkt wird, die zum Tode verurteilten Demonstrierenden im Iran, die alten Menschen, die unter der Inflation leiden und die Einsamkeit der Pandemie noch in den Gefühlen tragen. Überhaupt die von Armut Getroffenen, die Kriegsversehrten an Leib und Seele, die Verlassenen. Der Anspruch, dass die Gottesnähe sie über die äußeren Umstände hinaus erfüllen möge, fragt in jedem Fall meine Werturteile an, zumindest aber meine Hoffnung in eigener auswegloser Situation.
Wir kennen die Seligpreisungen in vertonter Form aus dem Gotteslob (458, 459), hier sind ein paar weitere Strophen mit der Einladung, selbst zu formulieren:
1) Heilsam seid ihr, wenn ihr Menschen stärkt – göttlichen Kern eures Daseins merkt.
2) Überall wo Kummer Tränen nährt, ein Mensch am End Gottes Heil erfährt
3) Jubelbereit wir gemeinsam gehn – jetzt und auch hier Gottes Segen sehn.
4) Selig seid ihr, schenkt euch Zärtlichkeit – Vorkosten von Gottes Ewigkeit.
1) Güte gezeigt, Hass hat keinen Ort – erstirbt Gewalt, traun wir Gottes Wort!
2) Erben sollt ihr, leer und heimatlos – Krieg sei vorbei, Gott ist Rettungsfloß.
3) Schaut Gott doch an, habt ein reines Herz. Gott schaut euch an, lindert euren Schmerz.
4) …
// Michaela Labudda