Seht, wie viel Liebe Gott uns geschenkt hat, damit wir Gottes Kinder genannt werden, und wir sind es. Deshalb versteht uns die Welt nicht, weil sie Gott nicht versteht. Geliebte, jetzt sind wir Gottes Kinder, aber was wir einst sein werden, ist noch nicht sichtbar. Wir wissen: Wenn es sichtbar sein wird, werden wir Gott gleichen, denn wir werden Gott sehen, wie sie ist.
(Erster Johannesbrief, Kapitel 3, Verse 1-2)
Wir sind noch nicht fertig. Da liegt noch etwas vor uns, eine Hoffnung, eine Verheißung. Es wird um Wandlung gehen, wir werden anders werden, als wir jetzt sind, mehr wir selber, und dabei geht es nicht nur um die Seele, sondern auch darum, wie wir uns verkörpern. Denn unsere Körper sind mehr als vorübergehende Gefäße, sie sind Ausdruck und äußere Form unseres Menschseins. Sie prägen die Erfahrungen, die wir machen. Auch verwundete, versehrte, in ihrer Funktionalität eingeschränkte Körper prägen, wer wir sind, und diese Erfahrungen gehen mit in unsere Identität ein. Vor G*tt spielen auch unsere Körper eine Rolle. Die Wunden, die Narben und die Einschränkungen, die wir erfahren, haben bei G*tt Bedeutung. Und auch der Schmerz, wenn der Körper nicht als stimmig zur Identität erlebt wird, ist von G*tt gesehen und mitgefühlt. G*tt selbst ist ja auch nichtbinär, weil G*tt größer ist als jede unserer Grenzen.
Auferstehungsglaube ist die Hoffnung, dass unser Leben bei G*tt Gewicht hat und bewahrt wird auch über das Sterben hinaus. Das hat Folgen für die Ethik: Im Licht des Auferstehungsglaubens kann etwa die Transition eines Menschen mit Trans*identität religiös gewürdigt werden als Sichtbarmachung dessen, was zuvor verborgen war, als Transformation ohne Zerstörung. Sie kann eingereiht werden in die Wandlung, die allen Menschen verheißen ist: Immer mehr man selbst zu werden, sich als stimmig zu erleben, nicht zu fragen "Was kommt danach?" sondern "Was bleibt?". Im Englischen ist das besser auszudrücken: Die Grundfrage des Lebens im Licht des Auferstehungsglaubens ist nicht "What comes last?", sondern "What lasts?".
Vor G*tt ist die Gemeinschaft der Glaubenden zur Transition berufen: Zu werden, wer wir sein könnten, oder theologisch ausgedrückt: Leib Christi zu werden. Auch und gerade da, wo wir am verletzlichsten sind, nämlich bei unserer Geschlechtlichkeit, ist uns das Heilwerden zugesagt.
Ich halte es für eine Verfehlung, ja für ein fatales Versäumnis, dass die kirchliche Lehre in ihrer eigenen Körperethik die Dimension des Auferstehungsglaubens nicht berücksichtigt. Das würde sie zu einer Umkehr führen: Weg davon, Menschen festzulegen auf das, was andere in ihnen sehen, und hin zu einer Ermutigung, sich verwandeln zu lassen. Weg davon, zu konservieren, was ist, und hin zu einer größeren Hoffnung, was noch alles möglich ist, welche Identitäten sichtbar werden können, mit wie viel Vielfalt die Schöpfung G*tt lobt. Weg davon, sich zu sicher zu sein, hin zum Fragen und Mit-Hoffen.
Wir werden G*tt ähnlich sein, denn wir werden sie sehen, wie sie ist. Bis jetzt sehen wir nur kleine Mosaikstücke von G*ttes Schönheit, sehen sie in der Vielfalt der Möglichkeiten des Menschseins, in der Vielfalt allen Lebens und sehen doch dabei nur wie ein flüchtiges Erhaschen aus dem Augenwinkel. Die Vielfalt des Lebens ist ja so ungeheuer groß. In dieser Vielfalt werden wir aufgehoben sein, heil und stimmig. Menschen, die die Transition am eigenen Körper erfahren, machen sichtbar, was "zu einer*einem selbst werden" heißen kann und dass wir noch nicht fertig sind. Wir sind noch nicht fertig, sondern wir werden erst, wer wir sein können: Wir sind als Kirche zum Queersein berufen.