Albert Koolen hat vier Jahre als Kaplan im Bistum Aachen gearbeitet und ist seit 1991 Arbeiterpriester. Seit vielen Jahren engagiert er sich auch in der Seelsorge mit tamilischen Flüchtlingen. Er arbeitet derzeit in einem prekären und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnis am Düsseldorfer Flughafen.
"Die Arbeiterpriester begannen ihren Weg in Frankreich vor mehr als 70 Jahren. Kaum bekannt ist, dass zur gleichen Zeit bereits mehrere Frauengruppen existierten, die bereits den „Ortswechsel" vollzogen hatten. Die bekannteste war eine Gruppe um Madelaine Delbrel in Ivry bei Paris. Ihr Impuls war die Öffnung eines kirchlichen Ghettos, das im mittelständisch-akademischen Milieu, der bürgerlichen Klasse, in Frankreich eingemauert zu sein schien.
Sie lebten die Nachbarschaft in den Vorstadtghettos der Arbeiterklasse, ohne Anspruch, ohne pastoralen Auftrag und nannten dies „Solidarität". Die Teilnahme und Teilhabe an den Kämpfen und Visionen der Arbeiterklasse ließ viele von ihnen selbst zu Streiterinnen für Gerechtigkeit und internationale Solidarität werden. Zwischen der Mystik des Glaubens und revolutionärer politischer Aktion bewegte sich ihre Existenz.
Nach der zuerst theoretischen und dann aber auch praktischen Öffnung der Kirche zur Welt in Folge des II. vatikanischen Konzils wurde diese Idee attraktiv für Priester, Frauen und Männer anderer Länder, auch in Deutschland.
Wer heute, mehrere Generationen später, in einer sich auflösenden institutionell-kirchlichen Spiritualität, in einer globalisierten Welt ungeheurer Gegensätze und Brutalitäten, in einer neuen Form von imperialen Kriegen, die sich hinter angeblicher Verteidigung der Kultur und Abwehr fundamentalistisch-terroristischer Strömungen verstecken, die Tradition der Arbeiterpriester wach halten will, erntet fast ausschließlich Unverständnis.
Dabei hat es einen tiefen spirituellen und politischen Sinn, finanziell unabhängig von kirchlicher Institution in einer möglichst einfachen, ja prekären Arbeit zu stehen. Die Ohnmacht zerbrochener Gemeinsamkeiten und Solidarität in einer atomisierten Klassengesellschaft mit zu tragen und dennoch für die Vision einer unendlichen Würde und Gerechtigkeit ein zustehen. Sich selbst aus christlicher Tradition zu verstehen im Wissen um die Vorläufigkeit exklusiver Offenbarungsreligionen. Gegen jede Form von Grenzen und damit verbundenem Rassismus zu leben und damit zu versuchen, jeder Person an jedem beliebigen Ort die höchste Würde einzuräumen.
Kurz: Ein modernes Leben in der Tradition der Arbeiterpriester ist ein ungeheuer herausforderndes Wagnis eines Orts- und Perspektivenwechsels am Rande von Kirche und Gesellschaft mit dem langen Atem für den „neuen Himmel und die neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt..."(2 Petr 3,13)
In dieser Tradition versuche ich zu leben." (Albert Koolen)