Die technologische und ökonomische Dynamik hängt allerdings die gesellschaftliche Debatte über Chancen und Risiken ab. Die Zeit drängt, über ethische Leitplanken für Entwicklung und Einsatz der KI zu reden.
Auf dieses Ziel konzentrierte sich die 4. Dialogtagung „Kirche und Wirtschaft" am 26. Juni 2018. 130 Frauen und Männer folgten der Einladung von Bistum und Domkapitel Aachen, in das anregende Setting der „Digital Church", einem digitalen Gründerzentrum in der ehemaligen Kirche St. Elisabeth am Aachener Blücherplatz. Einen besseren Ort für das Thema hätte man kaum finden können, resümierte Gastgeber Dr. Oliver Grün vom Betreiber digitalHUB Aachen e.V.
Auch Generalvikar Dr. Andreas Frick würdigte die Ideen- und Konzept schmiede von Start-ups und mittelständischen Unternehmen als den richtigen Ort. Beflügelt von der erhebenden Architektur, sinnbildlich überdacht von einem Netzwerk im Gewölbe, lasse sich der Diskurs zwischen Kirche und Wirtschaft gut führen. Bei der letzten Dialogtagung habe man darüber gesprochen, digitale Innovationsprozesse werteorientiert zu gestalten. Bei der KI werde dies nun konkret.
Als Keynote-Speaker konnte für die Tagung Prof. Dr. Stefan Wrobel gewonnen werden, Leiter des Fraunhofer-Instituts IAIS in Bonn. Er vermittelte Hintergründe zum Siegeszug der Technologie. Künstliche Intelligenz entwickele sich so dynamisch, weil inzwischen nicht nur die passenden Algorithmen gefunden wurden und die technische Leistungsfähigkeit der Maschinen gewachsen ist, sondern auch die Kunden bereitwillig mithelfen, die Datenbasis für KI zu verbessern.
Denn ohne Daten ist alles nichts, sie sind der Treibstoff, auf dem Maschinen sich eigenständig in ihren Lösungsstrategien weiterentwickeln. Ob es soziale Netzwerke sind, Daten, die Websites oder Apps einholen, Daten bei Unternehmen und Behörden – aus allem lassen sich Zusammenhänge herstellen, statistische Wahrscheinlichkeiten und Prognosen benennen, Entscheidungen ableiten. Der Ansatz der KI sei, das eigenständig zu tun und dabei stetig weiterzulernen.
Wrobel verdeutlichte, dass die technologische Entwicklung in immer mehr Bereichen den Menschen ähnlich, ihn ersetzen oder auch übertreffen wird. Dass die Maschine inzwischen bei Strategiespielen wie Schach und Go Meister ist, ist noch zu verschmerzen. Aber wenn dadurch Arbeitsplätze substituiert werden, etwa durch selbst fahrende LKWs, durch präzise medizinische Diagnose, durch eigenständige Auswertung von Texten aller Art, durch intelligente Gesprächsführung?
Der Wandel erfasse alle Branchen, betonte Wrobel. Mit dieser Perspektive sei es zwingend, sich nicht nur über technische Aspekte zu unterhalten. Große Fragen tun sich auf: Wie reagieren Wirtschaft und Gesellschaft auf die Veränderungen? Wie behalten sie die Kontrolle über schützenswerte Daten und über Entscheidungen der Maschinen? Der Druck, sich über ethische und praktische Leitplanen zu verständigen, wächst mit der nahenden Einführung des Internets der Dinge erheblich.
Wrobel zeigte sich froh, an diesem Abend einen solchen Diskurs mitgestalten zu können. Bei Fachtagungen würden zwar ethische Aspekte gestreift, aber man gehe gleich zum Tagesgeschäft über. Die Zeit dränge. Zwar könne man vieles, was KI bewirkt, auch ohne Ethik-Richtlinien zulassen, etwa die Steuerung von industriellen Fertigungsanlagen. Anderes aber bedürfe ethischer Vorgaben, etwa im Versicherungswesen, wo das Prinzip der Solidarität unter Druck gerate.
Generalvikar Dr. Andreas Frick griff die Fäden auf, die der Keynote-Speaker gesponnen hatte. Der Mensch sei technologieabhängig, müsse aber vor seinem Tunnelblick auf die Vorteile und Bequemlichkeit der neuen Technologien geschützt werden. Frick fragte nach dem richtigen Korrektiv in dem Innovationsprozess und sah es eher in den Zehn Geboten als in Regeln, die sich Konzerne selbst setzen. Schwächere und Zahlungsunfähige dürften nicht unter die Räder geraten.
In Kleingruppen vertieften die 130 Gäste die Chancen und Risiken des Wandels und wie er sich angemessen gestalten lässt. Denn letztlich geht es um eine wichtige Frage, wie Prof. Dr. Joachim Söder von der Katholischen Hochschule NRW in Aachen sagte: In welcher Welt wollen wir leben? Einsatzgebiete der KI wie autonome Kampfroboter oder großflächige Überwachungsinfrastruktur zeigen, dass dies keine rein akademische, sondern eine sehr konkrete Frage ist.
Keineswegs geht es um eine Vermeidung der technologischen Entwicklung, sondern um deren Gestaltung. Die Chancen, die darin liegen, um besser zu leben und zu arbeiten, sind gar nicht so gering. Diskutiert wurde das unter anderem mit Iris Wilhelmi vom digitalHUB Aachen e.V. an der Frage, wie sich Geschäftsmodelle mit KI entwickeln lassen. Die Potenziale im Bildungssektor wurden mit Patrick Neubert und Jonas Kölzer von Polarstern Education besprochen.
Der Abend zeigte es: Die Fragen, welche die Künstliche Intelligenz aufwirft, dürfen nicht an Konzerne und Kommissionen, nicht an Politiker und Programmierer delegiert werden. Es bedarf eines stetigen Austausches auf allen Ebenen, möglichst interdisziplinär, kooperativ, inspiriert. Als Orte für einen solchen Austausch bieten sich Ideenschmieden wie der digitalHUB an. Aber auch die Kirche hat hier viel zu bieten, in Aachen etwa mit dem Hochschulzentrum QuellPunkt auf dem Campus Melaten.
(Thomas Hohenschue)
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