Ansprache:
Was wäre eigentlich aus der Welt geworden, wenn Jesus auf die Vorschläge des Teufels eingegangen wäre? Ich finde nämlich, dass die gar nicht so dumm sind.
Stellen wir uns doch einmal vor, Steine würden wirklich in Brot verwandelt: Der Hunger auf der Welt hätte ein Ende, die Menschen in der Ukraine und in Gaza stünden nicht vor leeren Regalen, die verschiedensten Formen unwürdiger Sozialhilfen wären überflüssig. Kurz: Die Menschen könnten in Würde leben, denn wer nicht mehr zu hungern braucht, dem wäre eine der größten Sorgen des Lebens genommen.
Was wäre, wenn wir in einem Blick die ganze Welt anschauen könnten? Wir könnten viel eher Zusammenhänge erkennen, begreifen, dass wirklich alles mit allem verwoben ist. Und wenn Jesus auf dem Herrscherthron sitzen würde, dann wären alle Putin's, und Trumps obsolet. Mit Jesus als Weltenherrscher könnten alle Menschen frei und ohne Angst leben und wir Menschen könnten die Welt entdecken mit all ihren göttlichen Geschenken. Wie wohl wäre mir dabei.
Und schlussendlich: Wenn Jesus dem Teufel sein Vertrauen in die Hoheit Gottes hätte vermitteln können: Was könnte besseres geschehen als dass das Böse vom Guten überzeugt wird?
Die Frage ist wirklich berechtigt: Warum erfüllt Jesus seinem Gegenüber die Wünsche eigentlich nicht? Damit wären doch die wesentlichen Probleme der Welt gelöst.
Kurze Antwort: Weil Jesus sehr schnell erkennt, dass den Teufel die Hungernden einen Dreck interessieren, dass ihm im Letzten Wurscht ist, wer auf welchem Thron sitzt und weil Jesus spürt, dass sein Gegenüber mit Gottvertrauen nichts am Hut hat.
Das Gespräch ist von Anfang an von Unehrlichkeit geprägt. Der eine stellt die Bedingungen, und der andere soll liefern Jesus hätte liefern können, aber er verweigert sich.
Ich habe mich gefragt, woran Jesus so schnell die Verlogenheit des Gegenübers erkannt hat. Und eigentlich habe ich nur eine Antwort für mich gefunden: An seiner Fratze. Seine Haltung, sein Gesichtsausdruck, seine Augen, die Art und Weise, wie er gesprochen hat, muss den Teufel verraten haben in seinen unlauteren Absichten. Und ein weiteres verräterisches Indiz ist seine Frechheit und Unverfrorenheit, Jesus Bedingungen zu stellen. Wer Bedingungen stellt, um zu erzielen, dass es anderen besser geht, der zeigt offensichtlich, dass es ihm nicht um die besseren Lebensverhältnisse geht, sondern darum, ein Herrschaftsprinzip klarzustellen: ‚Ich stelle die Bedingung und du folgst‘.
Dem Teufel geht es nur um sich selbst. Mögen die von ihm ausgesprochenen Erwartungen noch so edel sein, im Letzten geht es ihm nur darum, Jesus zu überrumpeln und sich selbst als unverzichtbaren Alleinherrscher hinzustellen.
Irgendwie erinnert mich das an heutige Gegebenheiten. Da reden zwei Menschen von Frieden, und es geht ihnen nur um eigene Gewinnoptimierungen. Trump und Putin geht es doch nicht um bessere Lebensbedingungen für die Menschen in der Ukraine, es geht ihnen nicht darum die Menschen zu befreien, wie sie behaupten; es geht ihnen einzig darum ihre Herrschaftsansprüche auszuweiten. Unter dem Vorwand, der Welt und den Menschen Gutes zu tun, sie zu befreien, versklaven sie sie und führen sie in eine Diktatur, in der sie alleine die Herrscher sind.
Was hat das alles mit uns zu tun? Sehr viel, finde ich. In den letzten Tagen habe ich viele Gespräche geführt mit Menschen, die die Citykirche besucht haben, aber auch privat und zuhause. Vielen älteren Menschen kamen Bilder aus ihren Kriegserfahrungen in den Sinn. „Das, was wir da in den letzten im Fernsehen sehen, das erschreckt uns zutiefst“, so sagten einige. „Wir wollen nicht belogen und betrogen werden“. Und dann sagte eine Frau mir am vergangenen Mittwoch, sie hätte richtig Angst bekommen, am Leib zu spürende Angst, als sie den tobenden amerikanischen Präsidenten gesehen hätte. „Sein Gesicht“, so sagte sie“, wäre vom Bösen gezeichnet gewesen.
Ein Gesicht sagt so viel mehr als Worte. Der stechende Blick, der blutrote Kopf, der weit aufgerissene Mund; all das flößt Angst ein.
Ich bin sehr dankbar, dass mir die Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges erspart geblieben sind. Aber mir geht es doch ähnlich: Warum sind wir so lernresistent, wenn es um die Fragen von Macht und Einfluss geht? Warum stimmen unsere Worte so selten überein mit dem, was unsere Augen ausstrahlen? Wie oft sagen wir „Frieden“ und haben gleichgültige Augen dabei? Sagen Freiheit und verschränken die Arme, weil wir nur die eigene Freiheit meinen.
Jesus konnte sich widersetzen damals in der Wüste, weil er offenen Auges und offenen Herzens dem Widersacher begegnet ist. Worte allein können trügerisch sein. Es braucht eine wache und ungeschönte Sensibilität im Blick auf das Ganze. Jesu Wachsamkeit hat erkannt, dass die Worte des Teufels und sein Wesen nicht übereinstimmten. Was es heute braucht: Mehr Achtsamkeit und Gespür, um zu erkennen, was wahr ist und was trügerisch. Es braucht auch Zeit, die wir uns nehmen sollten, um zu erkennen, ob das, was unseren Mund verlässt auch aus unserem Herzen kommt.