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Betroffenenrat im Bistum Aachen:Stellungnahme des Betroffenenrates zur öffentlichen Nennung von Täternamen im Bistum Aachen

Manfred Schmitz, Thomas F und Paul Leidner (von links) sind Teil des Betroffenenrats im Bistum Aachen und setzen sich für die Belange von Opfern sexualisierter Gewalt ein.
Das Bistum Aachen plant die öffentliche Nennung von Tätern, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg Missbrauch durch sexualisierte Gewalt begangen haben. Entscheidend ist die Prüfung jeden Einzelfalls.
Datum:
Fr. 2. Juni 2023
Von:
Von: Stabsabteilung Kommunikation

Was löst das bei Betroffenen aus?

Der Betroffenenrat im Bistum Aachen (BrAC) hat sich seit seinem Bestehen mehrfach für die Nennung von Täternamen ausgesprochen. Insoweit begrüßt der BrAC das Vorhaben des Bistums. Dabei sind die üblichen Regularien zu Fragen des Datenschutzes und des Persönlichkeitsrechtes zu beachten. Die öffentliche Nennung von Täternamen muss sich auf die Dauer zu einem unverzichtbaren Beitrag zur Aufarbeitung entwickeln. In diesem Kontext ist es zwingend erforderlich, Täternamen aus der Bezeichnung von Straßen, kirchlichen Liegenschaften und Stiftungen etc. zu entfernen. Die damit verbundene Transparenz wird dann auch einen positiven Anstoß zur Aufarbeitung vor Ort bilden. Auf das gute Beispiel der Pfarrgemeinde St. Amandus in Datteln (Geburtsort von Bischof Reinhard Lettmann, Münster), die 2019 nach Bekanntwerden der Vorwürfe seinen Namen nach vergleichsweise kurzer Diskussion vom neu errichteten Pfarrzentrum entfernte, wird verwiesen. Der BrAC fordert eine systematische Analyse aller bekannten Täternamen bezüglich der juristischen Gegebenheiten einer Namensnennung um dann im Rahmen der zu entwickelnden Konzeption zeitnah vorgehen zu können.

In einem Gespräch mit Bischof Dr. Dieser haben die Mitglieder des BrAC ihre Bereitschaft erklärt, das Bistum angesichts der knappen personellen Ressourcen zu unterstützen.

Oberste Priorität ist, die Retraumatisierung zu verhindern. Wie kann dies gelingen?

Der BrAC hält die häufig formulierte „Vermeidung von Retraumatisierungen“ im Kontext der Nennung von Täternamen für eine Schutzbehauptung. Erschwerend kommt hinzu, dass mit der „Vermeidung von Retraumatisierung“ auch noch der Eindruck erweckt wird, dass das Bistum Aachen fürsorglich mit den Betroffenen umgehen will. Wenn das Ziel eine qualifizierte und umfassende Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt sein soll, dann ist Aufklärung und Transparenz im umfassenden Sinn erforderlich. Dazu gehört dann auch die öffentliche Nennung von Täternamen. Der BrAC geht davon aus, dass der Gang durch eine Straße mit einem Täternamen oder das Sehen eines Täternamens an einem Pfarrheim schon alleine dadurch mehr zu einer Retraumatisierung beiträgt, weil dies je nach Wohnort quasi öfters oder laufend passiert. Es ist für die BrAC selbstverständlich, dass im Kontext der Namensnennung von Tätern flankierende Maßnahmen für Betroffene und/oder Angehörige des Dunkelfeldes zu treffen sind. Deshalb schlagen wir vor, dass das Bistum mit Psychotherapeuten aus den jeweiligen Orten Vereinbarungen entwickelt, die Betroffenen im Sinne einer Hotline Möglichkeiten eröffnet sich zu artikulieren und/oder zeitnah einen Therapieplatz zu vereinbaren. In ein entsprechendes Netzwerk können auch die Ansprechpersonen integriert werden. Der BrAC wird in Kooperation mit der UAKAC  Ideen zur Schaffung eines Therapeutenpools entwickeln, der möglichst das Gebiet des ganzen Bistums abdeckt. Dabei ist auch eine Kooperation mit Fachkrankenhäusern in katholischer Trägerschaft (z.B. Alexianer) denkbar. 

Idealerweise sollte das Konzept zur Nennung von Täternamen möglichst zeitnah entwickelt werden, um zu vermeiden, dass die Medien Namen veröffentlichen ohne die oben beschriebenen flankierenden Maßnahmen  zu berücksichtigen. Gleichzeitig kann mit der damit dem Eindruck entgegengetreten werden, dass das Bistum Aachen durch die Medien vor sich her getrieben wird.

Inwieweit hilft die Täter-Nennung, das Dunkelfeld zu erhellen?

Diese Frage ist vor dem Hintergrund der bloßen Existenz eines Dunkelfeldes schwierig zu beantworten. Es ist aber aus der Psychotherapie bekannt, dass es immer wieder vorkommt, dass sich traumatisierte Menschen erst sehr lange nach den erlittenen Traumata daran erinnern und ggfls. beginnen, sich damit auseinanderzusetzen. Der BrAC geht auch davon aus, dass die öffentliche Nennung von Täternamen bei Betroffenen im Dunkelfeld die Erkenntnis reifen lassen kann, das sie ja nicht alleine sind. Viele der Betroffenen sind von ihrer Scham und Angst so beeinflusst, dass sie versuchen, möglichst wenig davon zu erzählen. Zu wissen, dass es in meinem Ort möglicherweise weitere Betroffene gibt und die Diskussionen der Aufarbeitung vor Ort können insoweit einen, wenn auch nicht quantifizierbaren, Beitrag zur Erhellung des Dunkelfeldes leisten.

Bisweilen wird der Eindruck erweckt, Betroffene könnten schnell therapeutische Unterstützung wahrnehmen.

Dass die Wartezeiten auf einen Therapieplatz u.a. durch das restriktive Verhalten der Krankenkassen bei der Zulassung von psychotherapeutischen Praxen zunehmend länger werden ist hinreichend bekannt. Je nach Wohnort warten Betroffene bis zu 12 Monate. Auch eine angeblich wirksame Unterstützung durch die Kassen oder die kassenärztlichen Vereinigungen bei der Suche nach einem Therapieplatz laufen hier oft ins Leere. In besonderer Weise verlängern sich die Wartezeiten wenn eine traumatherapeutische Behandlung erforderlich ist. Ähnliches gilt auch dann, wenn Betroffene einer stationären psychotherapeutischen Behandlung bedürfen. Die Aussagen einer Kassenmitarbeiterin, „dann lassen sie sich doch in die Psychiatrie einweisen“ ist da wenig hilfreich. Der BrAC und die UAKAC beabsichtigen, mit dem Bistum zur Entwicklung eines sog. Therapeutenpools in Gespräche einzutreten.